Bis heute spürt Libyen die Folgen westlicher Interventionen
Nach dem Sturz des ehemaligen Diktators Gaddafi scheiterte in Libyen auch der Transformationsprozess zur Demokratie und so befindet sich das nordafrikanische Land seit 2014 erneut in einem Bürgerkrieg. 1) BPB: Libyen; Artikel vom 18.12.2017 Derzeit gibt es in Libyen zwei Regierungen, die die Macht für sich beanspruchen. Eine Interimsregierung, die sich mit den Kräften unter General Khalifa Haftar zusammengeschlossen hat und vornehmlich im Osten Libyens ihre Macht ausübt sowie das international gestützte Government of National Accord, dass seine Autorität jedoch kaum über die Stadt Tripolis hinaus verbreiten kann. 2)HRW: Libya: Events of 2017; aufgerufen am 29.08.2018 In Folge des Paris Summit unter Leitung des französischen Präsidenten Macron sind zwar für Ende des Jahres Wahlen angesetzt worden, realistisch ist die Durchführung dieser jedoch nicht. Vielmehr bergen verfrühte Wahlen die Gefahr einer vollkommenen Eskalation, die weitreichende Folgen für Libyen, die Region und auch Europa haben dürfte. 3) CFR: Libya’s Escalating Civil War; Artikel vom 16.06.2015
Am Fall des Diktators Gaddafi waren insbesondere auch westliche Länder sowie die NATO beteiligt. Die Intervention stütze sich auf ein UN-Mandat, dass mit der Resolution 1973 erlassen wurde. Nach diesem sollte die Operation ausschließlich zum Schutz der Zivilisten durchgeführt werden. Schon die Notwendigkeit der Intervention ist umstritten, da es gegensätzliche Berichte über die Zahl der Opfer gab und die Lage möglicherweise weniger dramatisch war, als zunächst berichtet. 4) WPF: Libya Short Brief; aufgerufen am 31.08.2018 5) Belfer Center: Lessons from Libya: How Not to Intervene; aufgerufen am 31.08.2018 Entgegen des UN-Mandats wurden jedoch schnell die Grenzen der Revolution überschritten und es wurde immer deutlicher, dass die intervenierenden Staaten von Anfang an den Wechsel des Regimes anstrebten. 6) Foreign Policy: The Big Lie About the Libyan War; Artikel vom 22.03.2016 Zum einen folgten die beteiligten Länder damit der Hauptforderung der Rebellen und gleichzeitig verfolgten die Staaten aber auch ihre eigenen Interessen. Frankreich hatte beispielsweise ein Interesse am Sturz Gaddafis. Der libysche Herrscher hatte in jüngster Vergangenheit zunehmend die Idee einer afrikanischen Währungsunion angestrebt. 7) The Telegraph: Muammar Gaddafi vows to create ‚United States of Africa‘; Artikel vom 02.02.2009 8) Reuters: We can build United States of Africa, Gaddafi says; Artikel vom 28.07.2010 14 zentral- und westafrikanische Staaten hätten in Folge dessen den CFA-Franc als Währung aufgegeben. Frankreich verfügt über weitreichende Befugnisse über die koloniale Währung und fürchtete den Verlust dieser wirtschaftlichen Vorteile, weswegen ein Ende der Herrschaft Gaddafis im Interesse Frankreichs stand. 9) DW: Debatte um die Währung CFA-Franc; Artikel für 29.04.2013 10) ARTE: Afrika und der CFA-Franc: Ein System „freiwilliger Knechtschaft“?; Artikel vom 12.04.2017
Mit dem Sturz des Diktators Gaddafi brach die Einheit der Opposition zusammen. Als ihr gemeinsames Ziel erreicht war, wurden die oppositionellen Kräfte zunehmend zu Rivalen und so kam es 2014 erneut zum Ausbruch eines Bürgerkrieges, der bis heute anhält. Diese Eskalation lässt sich teilweise auf Strukturen des Gaddafi-Regimes zurückführen: Während der Diktatur finanzierte sich der Staat größtenteils aus Ölrenten. In Folge dessen entstanden keine politischen Strukturen, Institutionen oder lokale Autoritäten. Eine enorme Zentralisierung war ein Symbol für die Herrschaft Gaddafis und so strebten viele Bevölkerungsteile nach dem Sturz des Diktators nach einem dezentralen Aufbau des Staates. Aufgrund der fehlenden Strukturen war dieser Ansatz jedoch schnell von Korruption untergraben und konnte nicht zum libyschen Transformationsprozess beitragen. Vielmehr entstand zwischen den verschiedenen Oppositionsparteien ein Kampf um das Ölgeschäft, was zunächst bestehende Infrastrukturen schädigte und die finanzielle Absicherung Libyens gefährdete und darüber hinaus den entstehenden Bürgerkrieg weiter befeuerte. 11) CFR: Can Libya’s Divisions Be Healed?; Artikel vom 15.08.2018
Neben den zwei parallel existierenden Regimen gibt es in Libyen derzeit eine hohe Zahl weiterer Gruppierungen, was den Konflikt umso komplizierte macht. 12) PeaceLab: Auf unmöglicher Mission? UN-Vermittlung in Libyen, Syrien und dem Jemen; nicht mehr verfügbar Darüber hinaus sind viele verschiedene Staaten in den Konflikt involviert, was die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Friedens mindert. Die Mächte sind dabei in gleichem Maße zersplittert wie die lokalen Akteure. 13) ICG: The Libyan Political Agreement: Time for a Reset; Artikel vom 04.11.2016 Länder wie Ägypten und die VAE unterstützen die Allianz um General Haftar und missachten dabei kontinuierlich das UN-Waffenembargo, während sich Katar, der Sudan und die Türkei auf die gegnerische Seite stellen. 14) BPB: Libyen; Artikel vom 18.12.2017 Seit 2017 nimmt diese Internationalisierung in Folge der Katarkrise sogar die Strukturen eines Stellvertreterkrieges an, was eine baldige Lösungsfindung deutlich erschwert. 15) PeaceLab: Auf unmöglicher Mission? UN-Vermittlung in Libyen, Syrien und dem Jemen; nicht mehr verfügbar Während sich die USA hauptsächlich auf die Terrorismusbekämpfung konzentrierte und mit dem Niedergang des IS auf Abstand zu dem anhaltenden Konflikt ging, versucht die EU in Koordination mit Libyen den Flüchtlingsstrom zu verhindern, was zur Verbesserung der Lage in keinster Weise beiträgt. Vielmehr kommen zu den intern vertrieben auch eine große Anzahl regionaler Flüchtlinge, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in Libyen ausharren.
Die bisherigen Ansätze, die eine Lösung des Konfliktes finden sollten, scheiterten. Kürzlich gab es mit der Paris Summit einen neuen Versuch, der jedoch schon im Vorhinein stark kritisiert wurde. 16) ICG: Making the Best of France’s Libya Summit; Artikel vom 28.05.2018 Die angesetzten Wahlen wurden allgemeinhin als hinderlich eingestuft und auch die Exklusion wichtiger lokaler Akteure zunehmend kritisiert. 17) CFR: Can Libya’s Divisions Be Healed?; Artikel vom 15.08.2018 Zwar ist eine baldige Lösung äußerst wünschenswert, darf aber in keinem Fall übereilt beschlossen werden – sonst droht als Folge ein kurzlebiger Frieden, auf den eine erneute Eskalation folgen würde. Zukünftige Ansätze sollten unbedingt alle Konfliktparteien mit einbeziehen, da es nur so zu einer langfristigen Stabilisierung Libyens kommen kann. Andernfalls verkompliziert sich der Konflikt weiter, was auch terroristischen Gruppen wieder neue Handlungsspielräume ermöglicht und damit das Land, die Region und auch Europa negativ beeinflussen wird. 18) USIP: The Current Situation in Libya; Artikel vom 05.04.2018
Fußnoten und Quellen:
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