Venezolanische Flüchtlingszahlen auf Rekordniveau – Ecuador ruft Notstand aus
Gemäß dem UNHCR haben dieses Jahr bereits über 500.000 Venezolaner die kolumbianische Grenze nach Ecuador überquert – ein Schnitt von 3000 Personen pro Tag. In der ersten Augustwoche stiegen diese Zahlen sogar auf knapp 4000 pro Tag. Die Entwicklung veranschaulicht die dramatische Situation, in der sich die Venezolaner schon seit geraumer Zeit befinden. Alleine letztes Jahr flohen über eine Million Menschen ins benachbarte Kolumbien, und dies umfasste lediglich registrierte Flüchtlinge. Mittlerweile wird die gesamte Region von der venezolanischen Flüchtlingskrise in Mitleidenschaft gezogen. Auch kleine Staaten wie Ecuador müssen mit einem zunehmenden Strom an hilfsbedürftigen Menschen umgehen. 1) Learning English: UN: Ecuador Struggling to Deal With Venezuelan Refugees; Artikel vom 15.8.2018 2) National Geographic: For Venezuelan Refugees, This Bridge Connects Past and Present; Stand 16.8.2018
Vergangene Woche erklärte die Regierung in Quito den nationalen Notstand, um zusätzliche Haushaltsmittel freizugeben. Auch das UNHCR verstärkte seine Bemühungen, Ecuador bei der Bewältigung der Situation zur Hand zu gehen. Die meisten Venezolaner, die inzwischen ins Land gekommen sind, befinden sich jedoch nur auf der Durchreise und sind auf dem Weg nach Peru, Chile oder Argentinien. Trotzdem sind viele von ihnen auf dringende Hilfe angewiesen. „Die Flüchtlinge haben tagelange Fußmärsche hinter sich, bevor sie Ecuador erreichen“, so William Spindler, zuständiger Sprecher des UNHCR. Zudem seien mehr als 40 Prozent von ihnen Frauen und Mädchen, die besonders Gefahr laufen, Opfer sexueller Übergriffe zu werden und somit eines speziellen Schutzes bedürfen. 3) Learning English: UN: Ecuador Struggling to Deal With Venezuelan Refugees; Artikel vom 15.8.2018
Innerhalb von 2 Jahren hat sich die Zahl venezolanischer Migranten auf dem südamerkanischen Kontinent um 900 Prozent gesteigert – von ca. 89.000 im Jahre 2015 auf knapp eine Million 2017. Jetzt überschreiten 10-mal so viele Venezolaner die Grenze nach Ecuador als Flüchtlinge aus Nordafrika das Mittelmeer überqueren, um nach Europa zu gelangen. „Der Exodus, der gerade in Venezuela stattfindet, gehört zu den größten Völkerwanderungen in der Geschichte Lateinamerikas“, so Spindler weiter. 4) abc-News: As Venezuela crumbles, exodus reaches record level; Artikel vom 16.8.2018
Doch wie kann es sein, dass ein Staat wie Venezuela, der über riesige Erdölvorkommen verfügt, dermaßen in die Krise gerät und nun seine eigene Bevölkerung nicht mehr ernähren kann? Das Versagen des südamerikanischen Staates kann nicht auf eine Ursache alleine reduziert werden und hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Der amtierende Präsident Nicolas Maduro erbte die Politik seines Vorgängers Hugo Chavez und damit bereits einige Folgeprobleme, die mittlerweile zutage treten. Aber auch ihm fehlen die notwendigen Antworten, um der Krise des Staates wirksam entgegenzutreten. Stattdessen hält der ehemalige Busfahrer verzweifelt an der Macht fest und sucht die Schuldigen lieber bei der Opposition des Landes und außerhalb der Grenzen Venezuelas – ein altbekanntes Verhalten autoritärer Herrscher und Diktatoren.
Einer der Hauptgründe für die schwächelnde Wirtschaft des Landes ist der starke Verfall des Erdölpreises. Innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren sank der Preis für ein Barrel des schwarzen Goldes um die Hälfte von 100 US-Dollar auf 50 US-Dollar. Da Hugo Chavez die Erdölförderung Venezuelas verstaatlichte, konnte er während seiner Amtszeit von üppigen Einnahmen für die Staatskasse profitieren und so zahlreiche Sozialprogramme umsetzen sowie Nahrungsmittel subventionieren. Diese Einnahmen fehlen der Regierung Maduro nun. So schossen aufgrund des Wegfalls dieser Subventionen auch die Preise für notwendige Güter langsam aber stetig in die Höhe. Zudem sorgte der fallende Ölpreis für eine starke Reduzierung ausländischer Devisen im Land, was dazu führte, dass die Regierung in Caracas immer weniger Güter aus dem Ausland importieren konnte. 5) CNN: Venezuela: How paradise got lost; Artikel vom 27.7.2017
Gleichzeitig ließ Hugo Chavez während seiner Regentschaft die Preise für wichtige Dinge des alltäglichen Bedarfs halbieren, so dass sie sich jeder leisten konnte. Im Falle von Mehl beispielsweise konnten nationale Produzenten so nicht mehr ihre Herstellungskosten decken und stellten die Produktion zum Teil komplett ein. Inzwischen hat der Staat keine Mittel mehr zur Verfügung, um seine Unternehmen zu unterstützen und so die Preise auf einem stabilen, niedrigen Niveau zu halten. 2017 gab die venezolanische Staatsbank bekannt, dass lediglich noch 10 Milliarden US-Dollar an ausländischen Reserven zur Verfügung stünden. 6) CNN: Venezuela: How paradise got lost; Artikel vom 27.7.2017
Mittlerweile sind die Probleme des Landes so gravierend geworden, dass die Venezolaner in Massen abwandern. Die Suche nach Nahrungsmittel stellt für die Bevölkerung eine tägliche Herausforderung dar, lange Schlangen bilden sich vor den Supermärkten. Es fehlt an Milch, Mehl, Toilettenpapier und Medikamenten. Die Währung des Landes, der Bolivar, ist fast nichts mehr wert. Sogar die Tropenkrankheit Malaria, einst schon als ausgerottet betrachtet, breitet sich langsam wieder aus. Ständig kommt es zu Stromausfällen – teilweise mehrmals am Tag. Die Arbeitslosenquote sowie die Verbrechensrate – insbesondere in Großstädten – sind rapide angestiegen. 7) CNN: Venezuela: How paradise got lost; Artikel vom 27.7.2017
Fußnoten und Quellen:
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