Kriegslügen und illegale Kriege: Wie der Irak zum Spielball internationaler Machtinteressen wurde
Mossul – die 2,9 Millionen Einwohner-Metropole im Norden des Iraks ist noch immer schwer gezeichnet von den Kämpfen, die dort vom 17. Oktober 2016 bis zum 9.Juli 2017 zwischen dem IS und den irakischen Streitkräften stattfanden. Während die Islamisten bis dato die Stadt kontrollierten, griffen die Regierungstruppen mit Unterstützung durch die Amerikaner, Kurden und christliche Milizen an. Bekanntlich endete die Schlacht in einer Niederschlagung des dortigen IS. Jedoch wirken sich die Folgen dieser Auseinandersetzungen bis heute in einer verheerenden Weise aus: So wurde insbesondere die dichtbesiedelte Altstadt Mossuls vor allem in den letzten Tagen der Kämpfe schwer beschädigt. Über 3000 Häuser, Schulen und Geschäfte sind noch heute zerstört und die Bewohner sind einer ständigen unterschwelligen Bedrohung durch nichtexplodierte Bomben und Munition ausgesetzt. Die Sommer dort sind heiß und trocken und die Temperaturen können auf bis zu 45 Grad steigen. Um so schlimmer ist es, dass es bis heute kein fließendes Wasser gibt. Beschädigte Wasser- und Abwasserleitungen sind Teil der zu bewältigenden Herausforderungen. Dies alles trägt dazu bei, dass sich tausende ehemalige Bewohner der Stadt bis heute scheuen zurückzukehren. 1) Epo: Irak – Auch ein Jahr nach der Befreiung ist Mossul kein Ort zum Leben; Artikel vom 9. Juli 2018 2) Wikipedia: Mossul; Stand: 11.7.2018 3) Wikipedia: Schlacht um Mossul; Stand: 11.7.2018
Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Mossul derart zum Spielball der Machtpolitik wurde? Dazu ist es sinnvoll, sich mit den Gründen der Entstehung des IS zu beschäftigen. Diesbezüglich führt der Nahost-Experte Dr. Michael Lüders in einem Interview mit dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ aus: „Na ja, man hat Saddam Hussein 2003 im Irak gestürzt. Und dem muss man nun wirklich keine Träne nachweinen. Man hatte aber keinen Plan für den Wiederaufbau des Iraks, und das Ergebnis war, dass ethnische und religiöse Spannungen extrem zugenommen haben. Die Sunniten wurden durch die schiitischen Machthaber massiv an den Rand gedrängt, und das Ergebnis war, dass eine Aufstands- und Widerstandsbewegung entstanden ist.“ Aus dieser Bewegung gegen die amerikanisch und britisch geführte Besatzung und die neuen schiitischen Machthaber in Badgad sind dann verschiedene Terrororganisationen hervorgegangen, darunter der IS. 4) Shz: Interview – Der Nahe Osten ist zum Spielball geworden; Artikel vom 24.1.2018
Der Terror wurde also infolge des 2. Irakkrieges, der im Rahmen des sogenannten „war on terror“ geführt wurde, paradoxerweise erst begünstigt. Das bringt uns zu der Frage nach den Kriegsgründen. Im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben ist hier sicherlich der Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat, bei dem er ein Reagenzglas in der Hand haltend verkündete, dass vom Irak eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen ausgehe. Die meisten Menschen wissen heute, dass es sich dabei um ein Propagandamärchen gehandelt hat. Zudem gab es für diesen Krieg kein UNO-Mandat, dementsprechend wurde das in der UNO-Charta verankerte Gewaltverbot verletzt – es handelte sich dabei also um einen illegalen Krieg, der die Gewaltspirale extrem angetrieben hat. Wir haben seither im Irak mehr als 1 Million Tote. Halten wir also fest: Dieser Krieg war illegal und das, was der „war on terror“ vorgibt zu bekämpfen – nämlich eben Terror – wird gerade erst durch ihn begünstigt. Insofern wäre es richtiger zu sagen, dass er im Kern gar nicht auf dessen Beseitigung, sondern auf die Eroberung und Sicherung von Erdöl, Erdgas, Geld und Macht abzielt. Der Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser drückt es so aus: „Der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ ist und bleibt ein Kampf um Rohstoffe und die globale Vorherrschaft, also alter Wein in neuen Schläuchen“. 5) Nachdenkseiten: Illegale Kriege; Artikel vom 14.10.2016
Die drei wichtigsten Akteure hinsichtlich Erdölförderung im Nahen Osten sind laut dem „BP Statistical Review of World Energy 2016“ Saudi-Arabien, das 12,0 Millionen Fass à 159 Liter pro Tag (bpd) fördert, der Irak mit 4,0 bpd und der Iran mit 3,9 bpd. Das „schwarze Blut der Weltwirtschaft“ pulsiert nirgendwo auf der Welt so kräftig wie dort. 1990 führte eine Auseinandersetzung zwischen dem Irak und Kuwait über den Anspruch auf ein Erdölfeld zum Überfall des Irak auf Kuwait – einem illegalen Krieg, der zu recht vom UNO-Sicherheitsrat verurteilt wurde. Die US-Regierung wollte daraufhin Kuwait befreien und legte der Weltöffentlichkeit ein Video vor, in dem ein 16-jähriges Mädchen unter Tränen berichtete, wie Anhänger von Saddam Hussein in ein Krankenhaus marschierten und dort Babys aus den Brutkästen genommen und auf den Boden geschmissen haben. Heute weiß man, dass dieses Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in New York war. Sie hatte jenes Krankenhaus niemals von innen gesehen und brachte, geschult durch die amerikanische Werbefirma „Hill & Knowlton“, eine schauspielerische Leistung auf die Bühne, welche die Welt in Angst und Schrecken versetzen sollte. Die sogenannte „Brutkastenlüge“, die schließlich den Krieg der Amerikaner gegen Saddam (2. Golfkrieg) legitimieren sollte, war geboren. Egon Bahr, der Grandseigneur der Sozialdemokratie, fasst diese Kausalitäten politischen Handelns folgendermaßen zusammen: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ 6) Swiss Institute for Peace and Energy Research: TOP 10 der Erdölförderländer vs. ihren Eigenverbrauch; Infografik von 2016 7) Zitate.net: Egon Bahr-Zitate; Stand: 11.7.2018
Die Zahlen der UNO-Flüchtlingshilfe von Ende 2017 besagen, dass der Irak nach Kolumbien, Syrien und der Demokratischen Republik Kongo das Land mit den meisten Binnenvertriebenen ist. 2,6 Millionen Menschen, darunter auch viele ehemalige Bewohner Mossuls warten darauf, wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren zu können. Um so begrüßenswerter ist das Engagement von Organisationen wie Oxfam, die helfen, beispielsweise die Wasserversorgung wiederherzustellen. 8) UNO-Flüchtlingshilfe: Flüchtlinge weltweit – Zahlen und Fakten; Stand: 11.7.2018 9) Epo: Irak – Auch ein Jahr nach der Befreiung ist Mossul kein Ort zum Leben; Artikel vom 9. Juli 2018
Fußnoten und Quellen:
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