Geplanter Ausstieg der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran könnte einen weiteren Krieg im Nahen Osten nach sich ziehen
Am Dienstag, den 8. Mai 2018, verkündete US-Präsident Donald Trump in Washington den Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Trump gab zeitgleich die Reaktivierung der Sanktionen gegen Teheran bekannt. Dies stellte sich als weiterer Faktor für die Verstärkung der Spannungen im Nahen Osten heraus, denn kurz danach griff Israel dutzende iranische Stellungen in Syrien an. Die jüngsten Ereignisse und ein eventuelles militärischen Eingreifen der USA im Iran könnten zum Anstoß einer neuen Flüchtlingswelle führen. 1) SZ: Trump kündigt Atomabkommen mit Iran auf; Artikel vom 08.05.2018 2) SZ: US-Außenminister Pompeo kündigt „stärkste Sanktionen der Geschichte“ gegen Iran an; Artikel vom 21.05.2018
Der Atomdeal wurde 2015 zwischen dem Iran auf der einen Seite und den USA, China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite geschlossen. Das Abkommen soll Iran im Gegenzug zum Verzicht auf Wirtschaftssanktionen von der Entwicklung einer Atomstreitmacht abhalten, insbesondere von der Anreicherung von Uran auf ein atomwaffentaugliches Maß. Trump ist der festen Überzeugung, den Iran mit diesem Abkommen nicht an der Entwicklung von Kernwaffen gehindert zu haben oder in Zukunft hindern zu können. Ihm zufolge war das Versprechen des Irans, nicht weiter an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten, eine „Lüge“ und er hätte „eindeutige Beweise“ dafür. Die Diktatur Irans habe auch nach dem internationalen Abkommen weiter an der Entwicklung ballistischer Raketen gearbeitet, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnten, sagte Trump im Weißen Haus. Er beschreibt den Vertrag als „desaströs“ und „im Kern faul“ und der Iran sei „der führende Terror-Unterstützer im Nahen Osten“. Er möchte das Land in ein neues und langfristiges Abkommen zwingen, auch wenn dazu militärische Gewalt nötig ist. Es gibt keinen Beweis für einen Bruch des Abkommens auf iranischer Seite und die restlichen beteiligte Staaten warnten den US-Präsident vor einem Austritt. Sowohl der französiche Präsident Emmanuel Macron als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas versuchten ihr Glück bei Staatsbesuchen im Weißen Haus. Doch nichts konnte Donald Trump aufhalten – die USA sind raus aus dem Vertrag und die Welt schaut ohnmächtig zu. 3) SpiegelOnline: Trump verkündet Ausstieg aus Iran-Abkommen; Artikel vom 08.05.2018
Zudem möchte der amerikanische Präsident wieder Sanktionen gegen den Iran erlassen, die diesmal gezielt die besonders wichtigen Bereiche des Landes treffen sollen, wie beispielsweise den Energie- und Finanzsektor. Er schließt Sanktionen für die Länder, welche weiterhin mit dem Iran Wirtschaftsbeziehungen unterhalten, nicht aus. Unternehmen aus anderen Staaten, die also mit dem Iran Geschäfte machen, wären ebenfalls von Strafmaßnahmen, sogenannten Sekundärsanktionen, betroffen. Der gerade erst vereidigte US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell – ehemals Mitarbeiter des jetzigen Sicherheitsberater Trumps John Bolton in der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen – forderte deutsche Firmen auf Twitter bereits dazu auf, ihre Geschäfte im Iran zu beenden.
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China haben mit „Bedauern und Sorge“ den Ausstieg der USA aus dem Iran Atomdeal trotz all ihrer Warnungen zur Kenntnis genommen. Sie verurteilen diesen Schritt, wollen aber weiterhin an dem Vertrag festhalten. Israel und Saudi Arabien hingegen befürworten den harten Anti-Iran-Kurs Trumps. 4) ZeitOnline: Europäer wollen Atomabkommen beibehalten; Artikel vom 09.05.2018 Vor allem Benjamin Netanjahu, der israelische Ministerpräsident, unterstützt Donald Trump. Ein weiterer Verfechter ist Trumps Sicherheitsberater John Bolton, der offen auf allen Kanälen gegen den Iran wettert. Dies tut er nicht erst seit kurzem. Schon im Jahr 2015 schrieb er in der New York Times: „Iran wird sein Atomprogramm nicht durch Verhandlungen aufgeben. Die unbequeme Wahrheit ist, dass nur militärische Aktionen zum Ziel führen.“ 5) ARD Monitor: Ende des iranischen Atomdeals? Militärische Eskalation mit Ansage?; Sendung vom 17.05.2018
Regimewechsel mithilfe militärischer Mittel, das gab es schon einmal: im Irak vor 15 Jahren, mit seinem Präsidenten Saddam Hussein. Benjamin Netanjahu drängte damals schon auf einen Militäreinsatz, obwohl die Vereinten Nationen keine Massenvernichtungswaffen im Land fanden. „Wenn Sie Saddam ausschalten, garantiere ich Ihnen, es wird enorme positive Auswirkungen auf die ganze Region haben.“, so Benjamin Netanjahu 2002 vor den Vereinten Nationen. Auch John Bolton wetterte gegen den Irak und behauptete, das Land entwickle und besitze Massenvernichtungswaffen. Den angeblichen Beweisen folgte die Invasion des Irak 2003. Das Regime von Hussein wurde gestürzt, doch statt Frieden herrschen in der Region seitdem Gewalt und Terror. Am Ende stellte sich heraus, dass alles eine Lüge war und der Irak keine Atomwaffen besaß – Saddam Hussein war zu diesem Zeitpunkt aber schon tot. Selbst die amerikanischen Streitkräfte und Geheimdienste gaben ihren fatalen Fehler zu. Dieser begonnene Krieg endete im Desaster und Millionen Menschen flüchteten. Experten ziehen starke Parallelen zum Iran. Sie befürchten ein ähnliches Ende für das Land im Nahen Osten. 6) ARD Monitor: Ende des iranischen Atomdeals? Militärische Eskalation mit Ansage?; Sendung vom 17.05.2018
Sollte der Iran tatsächlich durch die US-Sanktionen vom internationalen Handel abgeschnitten werden, ist nicht zu erwarten, dass er sich noch an die Vorgaben des Atomabkommens gebunden fühlt. So drohte Präsident Hassan Ruhani, sich aus dem Atomabkommen zurückzuziehen und die Urananreicherung „in industriellem Ausmaß“ wieder aufzunehmen. Ali Schamkhani, der Sekretär des Obersten Sicherheitsrates und ein Vertrauter des Obersten Führers Ali Chamenei, drohte ebenfalls, Iran könnte sich aus dem Atomwaffensperrvertrag zurückziehen, wie es Nordkorea 2003 getan hat. Wenn dies eintritt, würde das vermutlich einen nuklearen Rüstungswettlauf im Nahen Osten bedeuten. Trump gab noch keine Antwort zum Umgang mit Nordkorea, falls dieser Fall wirklich eintreten sollte. Aber die Gefahr ist real, dass das Weiße Haus zu militärischen Mitteln greift, wenn sich ihm der Mangel an Alternativen offenbart. John Bolton und Benjamin Netanjahu würden dies auf jeden Fall schon einmal befürworten. Gerade deswegen ist nicht auszuschließen, dass die gegenwärtigen Entwicklungen gegenüber dem Iran direkt in den nächsten Krieg führen. Europa muss sich hierbei möglichst schnell positionieren und sich überlegen, wie es beispielsweise deutsche Firmen vor Sekundärsanktionen schützen kann. So wenig wünschenswert weitere Spannungen mit der US-Regierung sind, muss sich Europa vor Augen führen, was sein Handeln bzw. sein Nicht-Handeln für Konsequenzen mit sich führen könnten. Durch die schärferen Spannungen steigt die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Krieges im Nahen Osten mit all seinen Auswirkungen: ein neuer Regionalkrieg, der die Eskalationsspirale erst in Gang setzt und damit eine humanitäre Katastrophe hervorruft. Auch wachsende Unsicherheit einschließlich neuer terroristischer Bedrohungen und Radikalisierung Unzufriedener, wie damals im Irak wären plausible Folgen. Mit einer erneuten Zunahme der Zahl von Geflüchteten wäre dann auch zu rechnen. Ein Krieg könnte eine weitere Flüchtlingswelle auslösen. Tausende sähen sich gezwungen zu fliehen, um dem Tod im Krisengebiet zu entkommen. 7) ZeitOnline: Die Stunde Europas; Artikel vom 15.05.2018 8) SZ: Iran: Für das Atomabkommen; Artikel vom 16.05.2018
Fußnoten und Quellen:
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