Verfolgung durch Regierungstruppen schlägt zehntausende anglophone Kameruner in die Flucht
Im englischsprachigen Südwesten Kameruns ergreifen immer mehr Menschen die Flucht nach Nigeria. Sie werden von den Truppen der Zentralregierung verfolgt und fliehen zu Zehntausenden ins Nachbarland.
Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist die durch Separatistengruppen einseitig ausgerufene symbolische Unabhängigkeit der anglophonen Landesteile als „Ambazonia“ am 1. Oktober 2017. Dieses Ereignis wurde umgehend mit Repressionen vonseiten der Regierung beantwortet. Die damaligen Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, es kam zu Toten und Verletzten. Seither häufen sich im Südwesten des Landes die Anschläge auf Polizei und Streitkräfte. Diese wiederum beantwortet das Regime des autoritär herrschenden Staatspräsidenten Paul Biya mit weiteren gewaltsamen Maßnahmen. 1) DW: Kamerun: Tote und Verletzte nach der Unabhängigkeitserklärung „Ambazonias“; Artikel vom 02.10.2017 2) Deutschlandfunk: Krise in Kamerun; Mit harter Hand gegen Separatisten; Artikel vom 02.12.2017
Nach jüngsten Zahlen des UNHCR haben seit den ersten blutigen Auseinandersetzungen daher mehr als 20.000 Menschen ihr Heimatland verlassen. Und die Zeichen stehen unverändert auf Eskalation. Erst vor wenigen Tagen haben kamerunische Soldaten angeblich 12 Europäer aus der Gewalt von Separatisten befreit. Ob es sich dabei tatsächlich um eine erfolgreiche Intervention von Spezialeinheiten der Regierung handelte oder um den Versuch eine vermeintlich bedrohliche Situation mit Separatisten-Beteiligung zu propagandistischen Zwecken gegen die Unabhängigkeitsbefürworter auszuschlachten, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden. Dennoch wird das Ereignis zur Legitimation des harten Vorgehens in den englischsprachigen Landesteilen herangezogen. 3) DW: Kameruns Armee befreit zwölf europäische Touristen aus Geiselhaft; Artikel vom 04.04.2018 4) Reuters: European tourists were not kidnapped in Cameroon, tour operator says; Artikel vom 04.04.2018 5) AllAfrica: Nigeria: Cameroonians Pour Into Nigeria, Stretching Scant Resources – UN Refugee Agency; Artikel vom 20.03.2018 6) AllAfrica: Nigeria: 20 000 Have Fled Cameroon Persecution to Nigeria; Artikel vom 21.03.2018
Die Unzufriedenheit im Südwesten Kameruns sitzt tief und reicht weit zurück. Seit sich der ehemals britische Teil mit dem französischen zum heutigen Kamerun verband, sieht sich die anglophone Minderheit Diskriminierungen ausgesetzt. Schon lange fordern Lokalpolitiker mehr Selbstverwaltungsbefugnisse und größere Autonomie, was vonseiten der autoritären Zentralregierung freilich immer abgelehnt wurde. Spitzt sich die aktuelle Situation weiter zu, so ist zu befürchten, dass es in Kamerun zu einem offenen Bürgerkrieg kommt.
Bereits heute ist die Makroregion, die sich vom nördlichen Nigeria über Kamerun bis in die Zentralafrikanische Republik hinein erstreckt, ein hochgradig instabiles Gebiet. Vielfältige ethnisch-religiöse Konflikte vermischen sich mit nicht aufgearbeiteten Problemlagen, die in der kolonialen Vergangenheit der Staaten begründet liegen. Käme es tatsächlich zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg in Kamerun, droht ein Flächenbrand ungekannten Ausmaßes und mit diesem eine ebensolche Flüchtlingswelle.
Fußnoten und Quellen:
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