Deutsche Waffen für den Jemen-Konflikt: Das Exportverbot ist nicht mehr als ein Feigenblatt
Die SPD hat sich im Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen, das Mitte Januar vorgestellt wurde, mit einem sofortigen Stopp von Rüstungsexporten an die Konfliktparteien des Jemenkriegs durchgesetzt. In Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft ist dies damals begrüßt worden.
Doch nun, nicht einmal zwei Monate später, kommt Katerstimmung auf. Ein Bericht der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald beleuchtet, wie die deutsche Rüstungsindustrie das Exportverbot durch unterschiedliche Schlupflöcher umgeht. 1) EPO: Drei Jahre Jemen-Krieg – Analyse zeigt Verantwortung deutscher Politik und Konzerne; Artikel vom 23.03.2018 2) urgewald: Pressemitteilung zum Thema; Artikel vom 23.03.2018
Die Lobbyisten der Waffenhersteller waren demnach bereits im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen nicht untätig und haben erfolgreich eine aufgeweichte Formulierung des Exportverbots erwirkt. Waren am Anfang noch sämtliche (also auch indirekt) am Jemen-Konflikt beteiligte Kräfte vom Verbot erfasst, so sind im Koalitionsvertrag „nur noch“ die direkten Kriegsparteien betroffen. Aber auch in dieser Formulierung bleibt die Bundesregierung unkonkret und hat bislang noch kein Land beim Namen genannt. Außerdem besteht eine weitere Entschärfung darin, dass die bereits genehmigten Exporte, deren Verträge also zeitlich vor dem Stichtag des Verbots geschlossen wurden, noch ausgeführt werden dürfen. Vormalig wären zeitunabhängig sämtliche Lieferungen betroffen gewesen.
Doch auch jenseits der Einflussnahme durch Lobbyisten schützt die Rüstungsindustrie ihre Pfründe und nutzt unlängst andere Wege, um die deutschen Gesetze und Hemmnisse zu umgehen. So exportieren deutsche Firmen rüstungsrelevante Bauteile in andere europäische Staaten zur Endfertigung. Von dort wiederum finden beispielsweise Jagdbomber des Typs Eurofighter Typhoon, deren Komponenten etwa zu 45 Prozent aus deutscher Produktion stammen, ganz legal ihren Weg nach Saudi-Arabien – einem direkt am Krieg beteiligten Land und, bekanntermaßen, Großkunden deutscher Waffenschmieden.
Des Weiteren führt der Bericht in einem konkreten Beispiel an, wie Bomben, produziert von der italienischen Rheinmetall-Tochter RWM Italia, im Jemen-Konflikt zum Einsatz kamen. Ebenfalls zum Geschäftsmodell des Konzerns gehörig, ist der Aufbau und Verkauf kompletter – „schlüsselfertiger“ – Munitionsfabriken. Organisiert durch ein Joint Venture mit südafrikanischer Beteiligung. Durch ebengenannte Joint Ventures und Niederlassungen in anderen Staaten werden die Exportbestimmungen weiter unterminiert. 3) urgewald: Geschäfte mit dem Tod – Die Rolle Deutschlands im Jemen-Krieg; aufgerufen am 26.03.2018
Betrachtet man die Darstellungen des Berichtes insgesamt, so kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, dass die deutsche Rüstungsindustrie nach wie vor durch die Bundesregierung protegiert wird. Auch wenn man nicht ständig das Klischee der geldgierigen Rüstungswirtschaft bemühen will, so sind doch, außer der vollen Auftragsbrücher der Industrie wegen, andere Erklärungsansätze für das aktuelle Verhalten der Großen Koalition rar. Und daher muss sich die Bundesregierung die Frage gefallen lassen, wie es um ihre moralische Integrität und Glaubwürdigkeit bestellt ist, wenn deutsche Waffen und deutsches Rüstungs-Know-how wieder unschuldige Opfer im jemenitischen Bürgerkrieg fordern. Das Exportverbot im Koalitionsvertrag ist – Stand heute – leider das Papier nicht wert, auf das es gedruckt wurde.
Fußnoten und Quellen:
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