UN warnen vor Hungerkrise unter Flüchtlingen in Kamerun – und der Westen spart
Die Vereinten Nationen warnen eindringlich vor einer drohenden Hungerkrise in den Flüchtlingslagern Kameruns und der Zentralafrikanischen Republik. Über eine halbe Million Menschen sind akut bedroht, wenn nicht bald dringend benötigte Hilfe vonseiten der internationalen Gemeinschaft anläuft. Bislang seien lediglich rund 5 Prozent der notwendigen Summe von 305 Millionen US-Dollar eingesammelt worden, sagt die beigeordnete Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten, Ursula Müller. 1) Thomson Reuters Foundation: INTERVIEW – ‚No country can cope‘ – UN warns of hunger among refugees in Cameroon; Artikel vom 26.02.2018
Kamerun hat mit gleich mehreren Problemlagen zu kämpfen. Die größte Flüchtlingsgruppe, die das Land aufgenommen hat, befindet sich in Lagern an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, dem ärmsten Land der Welt. Hier harren rund 237.000 Menschen unter teils katastrophalen Bedingungen aus. Hintergrund ist der ethnisch-religiöse Konflikt zwischen dem muslimisch geprägten Norden und dem christlichen Süden der Zentralafrikanischen Republik. Gefechte und Vertreibungen haben die Menschen die Flucht in Richtung des westlichen Nachbarn ergreifen lassen. Wie in Kamerun, fehlt es auch hier an dringend benötigten Hilfsgeldern: Im Budget der UN-Mission klafft ein 516 Millionen US-Dollar großes Loch, das dringend gefüllt werden müsste, um allein den Binnenvertriebenen des Landes Schutz und Hilfe geben zu können. Nach Schätzungen der UN ist aktuell die Hälfte der rund 4,6 Millionen Einwohner auf Hilfe angewiesen. Und wenn diese Hilfe nicht rechtzeitig anläuft, werden bald die ersten Notleidenden verhungern. 2) UN News: Lack of funding for aid operations means ‘people will die’ in Central African Republic – UN official; Artikel vom 22.02.2018
Ein anderer Krisenherd, aus dem die Menschen nach Kamerun fliehen, liegt in den nördlichen Bundesstaaten des benachbarten Nigeria. Seit Jahren terrorisiert dort die radikalislamische Sekte Boko Haram die Zivilbevölkerung und auch das Militär geht in dieser Gegend zum Leidwesen der Einwohner mit großer Härte gegen die Aufständischen vor. Aktuell sollen sich aus diesen Gründen etwa 89.000 Nigerianer in Kameruns Flüchtlingscamps aufhalten. 3) UNHCR: Nigeria emergency; aufgerufen am 28.02.2018
Zu den Krisen in den Nachbarstaaten kommt hinzu, dass sich der Konflikt mit Boko Haram über sämtliche Landesgrenzen der Region ausgeweitet hat und auch Niger, Nordkamerun und der Tschad betroffen sind. Immer wieder geschehen Angriffe und Anschläge der Terrorgruppe, was eine Destabilisierung des gesamten Gebiets rund um den Tschadsee zur Folge hat und in der Konsequenz zu mittlerweile 2,4 Millionen Vertriebenen führte. 4) International Crisis Group: Cameroon: Confronting Boko Haram; Artikel vom 16.11.2016 5) UNHCR: Nigeria emergency; aufgerufen am 28.02.2018 6) Daily Mail Online: Boko Haram ’slaughter‘ 11 people in north Cameroon: officials; Artikel vom 30.10.2017 7) WorldWatch Monitor: Boko Haram strikes again in northern Cameroon, killing pregnant woman and setting church on fire; Artikel vom 20.02.2018 8) BBC News: Nigeria’s Boko Haram militants attack Chad for first time; Artikel vom 13.02.2015
Die Zurückhaltung der Geberländer in dieser Krise kann hier kein gutes Zeichen sein. Nahrung, Gesundheitsversorgung und Unterkünfte gehören zu den drängendsten Problemen in den Lagern. Aber auch in der Gesamtbetrachtung scheint aus westlicher Sicht vernachlässigt zu werden, dass die Stabilität der ganzen Makroregion von der Entschärfung der Flüchtlingskrise abhängt. In Kamerun stehen 2018 etliche Wahlen an, darunter die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Die lokalen Kapazitäten zur Versorgung der Menschen – der geflohenen und auch der einheimischen – sind schon lange erschöpft, Spannungen sind in so einer Notlage vorprogrammiert und Populisten und Radikale verstehen sich hier wie dort darauf, Profit aus der Misere zu schlagen. 9) UNHCR: Operation: Cameroon; Planning summary; aufgerufen am 28.02.2018
Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum nachvollziehbar, dass die meisten Industrienationen ihre Zahlungen an das UN-Flüchtlingswerk zurückgefahren haben. Allen voran Großbritannien und die USA mit Kürzungen von 86 und 60 Millionen US-Dollar im Jahr 2017. Möglicherweise rückt die Reise der Beigeordneten Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten in die betroffenen Gebiete die drohende Katastrophe ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Und möglicherweise findet sich dann auch die Bereitschaft, den zynischen Sparkurs zu beenden und den Menschen vor Ort nicht auch noch das zum Überleben absolut Notwendige vorzuenthalten. 10) UNHCR: Financials; aufgerufen am 28.02.2018 11) UNHCR: Contributions to UNHCR – 2017; aufgerufen am 28.02.2018 12) UNHCR: Contributions to UNHCR for the budget year 2016; aufgerufen am 28.02.2018
Fußnoten und Quellen:
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