DR Kongo: Hungerkrise in der Kasai-Region weitet sich aus
Die Demokratische Republik Kongo ist gekennzeichnet von gewaltigen militärischen Auseinandersetzungen, Vergewaltigung, Hunger und der einhergehenden Vertreibung von Menschen. Ein Staat versickert in purer Konfrontation mit den ihn prägenden Konfliktregionen. Vor allem die Krise in der kongolesischen Provinz Kasai steht im Fokus der aktuellen Beobachtungen der UN. Dort eskalierte im August 2016 ein blutiger Konflikt, nachdem der Anführer einer Rebellengruppe von Sicherheitskräften getötet wurde. Laut UN begann sich die Lage in der vergangenen Woche zwar leicht zu verbessern, dennoch ist die Situation bei weitem nicht stabil. Seit Ende Oktober 2017 werden die Konflikte im Kongo neben dem Irak, Syrien und dem Jemen von der UN als eine der schwersten humanitären Krisen weltweit eingestuft, vor allem wegen der bestehenden Notlage in der Kasai-Region. 1) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017 2) Die Zeit Online: Im Kongo droht eine humanitäre Katastrophe; 31.10.2017
Doch jetzt schlagen die Vereinten Nationen erneut Alarm, da sich dort laut deren Einschätzung langsam eine humanitäre Katastrophe, eine Hungerkrise, ausbreiten könnte. Aufgrund der sich etwas stabilisierenden Lage kehrten mehr als 700.000 Menschen von den 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen nach Kasai zurück. Jedoch fanden sie ihre dortige Lebensgrundlage in Form von verwüsteten Dörfern und zerstörten Häusern vor. Ein Pressebericht von Ärzte ohne Grenzen verdeutlicht das Desaster: Während der Kämpfe versteckten sich die Menschen monatelang in nahe gelegenen Wäldern, waren jeglichen Krankheitserregern schutzlos ausgeliefert und hatten wenig zu essen. Der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerkes im Kongo, Andreas Kirchhof, bringt es auf den Punkt: „Viele haben mehrere Ernten verpasst. Jetzt droht der Hunger.“ Die Heimkehr der Binnenflüchtlinge sei zwar laut Kirchhof ein positives Zeichen neuer „Stabilität“, dennoch gäbe es nicht genügend Hilfe für die Bewältigung des riesigen Problems für die Rückkehrer vor Ort. Er warnt: „Die Region steht am Scheideweg: Weil die humanitäre Lage so schwierig ist, könnten jetzt auch neue Konflikte ausbrechen.“ 3) Die Zeit Online: Im Kongo droht eine humanitäre Katastrophe; 31.10.2017 4) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
Der Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen, Gabriel Sánchez, zeigt zudem einen anderen Punkt auf: „Es gibt auch in den größeren Städten noch immer Menschen in Not. Besonders verletzlich sind Vertriebene, die noch nicht in ihre Dörfer zurückkehren können. Sie benötigen medizinische Versorgung, Unterkünfte, Nahrungsmittel und Unterstützung darin, mit den traumatischen Erfahrungen umzugehen. Aber am dringendsten ist, dass auch andere Organisationen in den ländlichen Gebieten der Provinz zu arbeiten beginnen. Die Hilfe kommt zu langsam und ist zu gering für eine Krise dieser Größenordnung.“ 5) aerzte-ohne-grenzen.de: Vertriebene in Kasai benötigen dringend Hilfe – Viele Kinder in den Dörfern schwer mangelernährt; 30.10.2017
David Beasly, der Chef des Welternährungsprogramms (WFP), sprach nach seinem Besuch in der Region von bis zu 250.000 Kindern, die in den kommenden Monaten hungern werden, wenn nicht schnell Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt betrachtet, brauchen in der Kasai-Region sogar 3,2 Millionen Menschen Nahrungsmittelhilfe, unabhängig davon, ob jemand auf der Flucht ist oder nicht. 6) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
Sánchez bemängelt währenddessen die fehlende internationale Verantwortung zur Notsituation: „Die Kasai-Krise wurde völlig vernachlässigt.“ In dem Bericht seiner Organisation wird weiter aufgezeigt, dass schon jetzt viele Kinder an schwerer Mangelernährung leiden, die für jeden zehnten von ihnen lebensbedrohlich ist. Rund 1.000 Kinder seien allein zwischen Juni und September 2017 in den Ernährungszentren der Hauptstadt der Region, Tshikapa, in Behandlung gewesen. Viele Gesundheitszentren seien aber kaum noch funktionstüchtig: „Die Hälfte der Gesundheitszentren, die wir in den vergangenen drei Monaten aufgesucht haben, sind geplündert, verbrannt oder zerstört worden. Sie nehmen langsam ihre Arbeit wieder auf, aber es mangelt an Personal, Medikamenten und wichtigen Geräten“, sagt Gabriel Sánchez. Eigene Initiativen stehen deshalb an der Tagesordnung: Ärzte ohne Grenzen war in den erwähnten Monaten (Juni bis September 2017) die helfende Hand und hat mit seinen Teams mehr als 5.000 Kinder behandelt, mehr als 200 Verletzte operiert, 155 Menschen mit Gewaltverletzungen und 30 Überlebende von sexueller Gewalt verarztet. 7) Die Zeit Online: Im Kongo droht eine humanitäre Katastrophe; 31.10.2017 8) aerzte-ohne-grenzen.de: Vertriebene in Kasai benötigen dringend Hilfe – Viele Kinder in den Dörfern schwer mangelernährt; 30.10.2017
Bis Jahresende will die WFP weitere 500.000 Menschen mit nötigen Hilfsgütern versorgen und Anfang des Jahres 2018 die Unterstützung ausweiten. In einer Pressemitteilung vom Dienstag dieser Woche hieß es, dass die Organisation mehr Personal und 80 Allradlastwagen zur Verteilung der Hilfsgüter einsetzt. Doch bislang ist die finanzielle Unterstützung ausgeblieben: Nur ein Prozent der für Mitte 2018 benötigten 125 Millionen Euro ist eingegangen. 9) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
World Vision warnt, dass während des Konflikts viele Kinder ein schweres psychisches Trauma erlitten haben und sehr dringend therapeutische und anderweitige Hilfe benötigten. Eine Nothilfe-Expertin der Organisation, Kathryn Taetzsch, sagt: „Die Kinder hier bekommen kaum Unterstützung.“ Sie erklärte, dass sie schwere Kämpfe miterleben und die Tötung naher Angehöriger mit ansehen mussten. Deshalb habe World Vision die Hilfeeinsätze in den eigenen Reihen rasch gestärkt bzw. ausgebaut. 10) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
Doch laut UN ist es derzeit schwierig, dort humanitäre Hilfe zu leisten. Trotz des leichten Rückgangs der Anzahl von Kämpfen gebe es immer noch viel Gewalt und Gewaltpotential in zahlreichen Ortschaften, die für Helfer schwer zu erreichen sind. Verschiedene bewaffnete Gruppen verhindern das Vordringen in die Region. Außerdem seien die Straßen zwischen September und Dezember wegen der Regenzeit nicht befahrbar. 11) Die Zeit Online: Im Kongo droht eine humanitäre Katastrophe; 31.10.2017
In der Kasai-Region, deren Fläche etwa der von Deutschland entspricht, hatte es bis 2016 seit langem keinen Konflikt mehr gegeben. Anders sieht es im Osten von DR Kongo aus: Verschiedene Milizen kämpfen dort um die Vorherschaft und um die reichen Bodenschätze des Landes, und das seit über 20 Jahren. Diese Konflikte, insbesondere der im östlichen Kivu, werden durch unsere Nachfrage nach neusten Smartphones, iPads und allen anderen technischen Geräten aufgrund des Rohstoffes Coltan, aus dem das „Tantal“ gewonnen und in nahezu alle Geräte implementiert wird, mitfinanziert. 12) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
Die Lage der Konflikte hatte sich zuletzt insgesamt deutlich verschlechtert und die Zahl der Binnenflüchtlinge hatte sich auf 3,9 Millionen Menschen verdoppelt. Nun gibt es mit der Kasai-Region einen sehr kleinen Fortschritt, der nicht verloren gehen und aufrechterhalten werden sollte. 13) Die Zeit Online: Im Kongo droht eine humanitäre Katastrophe; 31.10.2017
Deshalb hatte Beasley (WFP-Chef), mit einem für unsere Verhältnisse wirren Appell die Spender dazu aufgerufen, sich der Not in einem Landesteil wegen des mangelnden Fortschritts in einem anderen Landesteil nicht zu verschließen: „Wir dürfen unschuldige Frauen und Kinder nicht für das Versagen anderer verantwortlich machen.“ Im diesem Fall sagt Beasley aber etwas sehr verdächtiges: Die Konflikte im Osten, die seit Jahrzehnten fortdauern und von den westlichen Industrienationen bzw. seinen Konsumenten mitfinanziert werden, sollen laut seiner Aussage nicht von Spendengeldern profitieren. Er prangert mit diesem Satz „das Versagen der anderen“ an, will aber im Umkehrschluss nicht, dass dieses Versagen, diese Schuld durch die Verantwortlichen, (wir alle) mit Spenden für den östlichen Teil des DR Kongo beglichen wird. Die Spender sollen sich also der Not in nicht so gut fortgeschrittenen Landesteilen „versperren“. Das sagt ein Chef eines Welternährungsprogramms, das sich der Bekämpfung von Hunger verschrieben hat. 14) t-online.de: Krise im Kongo: Kinder werden hungern; 03.11.2017
Fußnoten und Quellen:
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