Nahrungsmittelspekulationen treiben Millionen Menschen in den Hunger
„Nichts ist so entwürdigend wie Hunger, besonders wenn er von Menschenhand verursacht ist“ – diese Worte sagte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Jahr 2008, dem Jahr der ersten globalen Nahrungsmittelkrise. Weltweit explodierten die Preise für Grundnahrungsmittel, die Zahl der hungernden Menschen stieg auf über eine Milliarde an und in vielen Ländern kam es zu Unruhen. 1) Reset: Nahrungsmittelspekulation – Geschäfte mit dem Hunger?; Stand vom 10.10.17
Letzten Donnerstag veröffentlichten das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und die Menschenrechtsorganisation FIAN das 10. Jahrbuch zum Recht auf Nahrung. 2) FIAN: The World Food Crisis: The Way Out; Stand vom 10.10.17 In diesem informieren sie über die Hintergründe der Krise und stellen Alternativen vor. Ein zentral beleuchteter Aspekt des Welthungers ist dem Bericht zufolge der Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel. Dieser wirkt sich unmittelbar auf die Ärmsten aus, da sie sich bestimmte Lebensmittel nicht mehr leisten können. Die Zahl der Hungernden wird so sehr schnell in die Höhe getrieben.
Wenn man sich die Rohstoffpreise der letzten Jahre ansieht, wird deutlich, dass diese sehr starken Schwankungen ausgesetzt waren. Innerhalb von fünf Jahren sind die Nahrungsmittelpreise zweimal extrem in die Höhe geschossen. Im Jahr 2011 wurde beim Nahrungsmittel-Preisindex ein Anstieg von 129 Prozent festgestellt – ein Rekordhoch. 3) Reset: Nahrungsmittelspekulation – Geschäfte mit dem Hunger?; Stand vom 10.10.17 4)fao.org: World Food Situation; Stand vom 10.10.17
Die Gründe für die steigenden Nahrungsmittelpreise sind vielfältig – beispielsweise wirken sich schlechte oder zerstörte Ernten und weniger Anbaufläche für Ackerland aufgrund des Klimawandels auf die Nahrungsmittelpreise aus. Vor allem ein Faktor rückte in den letzten Jahren jedoch immer weiter in den Vordergrund: die Spekulation mit Agrarstoffen. Bei Spekulationen gehen Banken, Staatsfonds und Hedgefonds bewusst Risiken ein, in dem sie auf fallende oder steigende Nahrungsmittelpreise setzen, in der Hoffnung, schnell hohe Gewinne zu erzielen. Die Mechanismen hinter diesen Vorgängen sind häufig sehr komplex und wirken als Preistreiber auf dem Rohstoffmarkt. Das zeigt auch ein Blick auf den Nahrungsmittel-Preis-Index. Seit der Verwirtschaftlichung des Rohstoffmarktes zu Beginn der 2000er sind die Preise für Nahrungsmittel immer weiter angestiegen. 5) fao.org: World Food Situation; Stand vom 10.10.17 6)Oxfam Deutschland: Nahrungsmittelspekulation; Stand vom 10.10.17
Durch den Handel mit Rohstoffen an der Börse sind die Weltagrarmärkte von den Gesetzmäßigkeiten der Finanzmärkte abhängig – man bezeichnet diese Entwicklung auch als Finanzialisierung des Rohstoffsektors. Die Rohstoffmärkte und somit auch die Lebensmittelversorgung werden letzten Endes den riskanten Turbulenzen des Finanzmarkts ausgesetzt. Markus Henn, Finanzexperte bei WEED, argumentiert in einer Stellungnahme für den Bundestag: „Wenn der Aktienmarkt eine Spekulationsblase erlebt, ist dies im Wesentlichen ein Problem der AnlegerInnen. Wenn die Blase […] im Weizenmarkt stattfindet, ist es eine Katastrophe für Millionen Menschen”. 7) Reset: Nahrungsmittelspekulation – Geschäfte mit dem Hunger?; Stand vom 10.10.17 Bei explodierenden Preisen der Nahrungsmittel sind in Armut lebende Menschen nicht mehr in der Lage, sich ihre tägliche Mahlzeit leisten zu können – sie müssen hungern.
Mehrere Studien der Weltbank, der UNCTAD und des International Food Policy Research Institute (IFPRI) belegen, dass die Nahrungsmittelkrise im Jahr 2007 durch Getreidepreis-Spekulationen verursacht worden ist. Die Weizenpreise stiegen in Somalia um 300 Prozent und im Senegal um 100 Prozent. Die Zahl der Hungernden erhöhte sich in dieser Zeit um mehr als 100 Millionen Menschen. 8) Oxfam Deutschland: Nahrungemittelspekulation; Stand vom 10.10.2017
Während sich Investoren an Milliardengewinnen ergötzen, leiden Millionen von Menschen unter Armut und Hunger. Um gegen diese Entwicklung der Ausbeutung der Armen durch die Spekulation mit Nahrungsmitteln vorzugehen, beschloss das europäische Parlament Anfang 2014 eine Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinien (Mifid). Jedoch ist umstritten, ob die Beschlüsse wirklich eine Besserung herbeiführen. Des Weiteren haben sich viele Banken und Versicherungen dazu entschieden aus dem Geschäft der Nahrungsmittelspekulation auszusteigen.
„Damit sich eine solche Krise nicht wiederholt, sind stabile, aber auch faire Preise wichtig – für Konsumenten wie für Produzenten“, erklärte Cornelia Füllkrug-Weitzel von Brot für die Welt am Donnerstag. Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland, ergänzt: „Die Bundesregierung vertraut bei der Hungerbekämpfung zu sehr auf offene, liberalisierte Märkte. Wenn dann aber Schutzmechanismen fehlen, können besonders von Hunger betroffene Bevölkerungsgruppen nicht mehr mit den Produkten aus industriellen globalisierten Agrarsystemen konkurrieren. Dann nimmt der Hunger zu und nicht ab. Schlimmer noch: Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die bis zu 70 Prozent der Grundnahrungsmittel weltweit produzieren, werden durch Großinvestitionen häufig verdrängt. Auch verschärfen sich durch den übermäßigen Einsatz von Dünger und Agrarchemikalien die ökologischen Probleme.“ Mimkes fordert daher eine menschenrechtliche Ausrichtung der Handels- und Agrarpolitik sowie einen stärkeren Fokus auf eine engagierte Klimaschutzpolitik, um den Hunger zu besiegen. 9) Entwicklungspolitik Online: Den Hunger besiegen. Brot für die Welt und FIAN legen Bericht zum Recht auf Nahrung vor; 05.10.17
Fußnoten und Quellen:
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