Gabriels Besuch im Südsudan setzt falsche Signale
Letzte Woche besuchte Außenminister Sigmar Gabriel den Südsudan, um sich ein Bild von der Lage im kriegsgebeutelten Land zu verschaffen. Laut der Südsudan-Expertin Marina Peter, Beraterin für „Brot für die Welt“, sei dieser Besuch aber ein komplett falsches Signal an die Bevölkerung im Land gewesen und der Außenminister hätte sich bei seinem Aufenthalt in Afrika falsch verhalten. Anstatt sich wirklich ein Bild von der Lage der Zivilbevölkerung zu machen, hatte sich Gabriel nur mit Regierungsoffiziellen und den im Südsudan stationierten Blauhelmsoldaten der UNO getroffen. Ein Treffen mit Menschen aus der Bevölkerung sei hingegen abgesagt worden. Laut Peter wäre dies aber das bei weitem wichtigste Treffen der Reise gewesen. Denn ist es überhaupt möglich, sich einen Eindruck von der Situation eines Krisenlandes zu machen, wenn man sich nur mit den Machthabern, aber nicht mit den tatsächlich Betroffenen austauscht? Auch wenn sich Gabriel für stärkere Friedensbemühungen aussprach und auch auf die schwierige und gefährliche Lage für Kräfte von Hilfsorganisationen im Südsudan hinwies, blieb ein klares Zeichen in Richtung der Bevölkerung aus. So bleiben die Menschen im Land ihrer Regierung und auch Deutschland gegenüber, auch aufgrund dieses einseitigen Besuchs des Außenministers, weiter misstrauisch. Denn schwere Menschenrechtsverletzungen, die von der Regierung an ihrer eigenen Bevölkerung verübt wurden, schürten das Misstrauen und die Hoffnungslosigkeit gegenüber den Regierungsoffiziellen. Es müssten laut der Expertin viel deutlichere Aussagen und Taten von Seiten Deutschlands bei solchen Treffen getätigt werden. So war das alleinige Treffen Gabriels mit Präsident Salva Kiir Mayardit ein völlig falsches Signal in Richtung der Südsudanesen, die sich wohl aufgrund solcher Staatsbesuche noch mehr alleingelassen fühlen.1) Tageschau: Gabriels Südsudan-Reise „Schlag ins Gesicht für Zivilbevölkerung“; nicht mehr verfügbar
Zurück bleibt die große Frage, wie die Bemühungen um Frieden, auf die Außenminister Sigmar Gabriel bei seinem Besuch so gepocht hatte, im Südsudan genau aussehen sollen. Eine schon oft geforderte, aber immer wieder überhörte Maßnahme ist ein Waffenembargo, das gegen das Land verhängt werden soll. Denn eine enorme Anzahl an Rüstungsmitteln im Südsudan dienen dem Bürgerkrieg und erleichtern das Töten. Um also die Lage im Land zu deeskalieren, wäre ein Stopp neuer Lieferungen von Kriegswerkzeugen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aufgrund der vielen Jahre des Bürgerkriegs schwimmt der Südsudan mittlerweile in Kleinwaffen, denn seit Beginn des Konflikts hat das Land große Mengen an Rüstungsgütern gekauft. Seit 2005 ist die Ukraine der Hauptwaffenlieferant für den Südsudan. Auch Rüstungsexporte, die aus Russland stammen, befinden sich im Land. Weitere Herkunftsländer für südsudanesische Waffen sind die Volksrepublik China und Israel, wobei der Staat an der Mittelmeerküste seine Waffenlieferungen in einer frühen Phase des Bürgerkriegs einstellte und anschließend versuchte, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. 2016 forderte auch die USA die Verhängung eines Waffenembargos gegen den Südsudan. Vor dem UN-Sicherheitsrat argumentierten sie, dass nur so eine weitere Eskalation im Land verhindert werden könnte. Doch bei der anschließenden Abstimmung scheiterte das Anliegen, weil lediglich sieben der fünfzehn Ratsmitglieder für ein Waffenembargo stimmten. Russland und auch China, also zwei der Hauptwaffenexporteure für den Bürgerkrieg des Südsudans, enthielten sich. Und genau zwei Stimmen fehlten letztlich, um den Antrag auf einen Waffenstopp für den Südsudan zu genehmigen. 2) Spiegel-Online: USA scheitern mit Waffenembargo gegen Südsudan; Artikel vom 24.12.16 3) Vice-News: Weapons Are Streaming Into South Sudan; Artikel vom 26.08.14
Um die Waffenlieferungen zu bezahlen, gibt die südsudanesische Regierung rund die Hälfte der Staatsmittel für das Militär und die Rüstung aus. Der Leidtragende ist das südsudanesische Gesundheitssystem, welches gerade für einen Staat, in dem bewaffnete Konflikte zahlreiche Verletzte fordern, von besonders großer Wichtigkeit ist. Nur rund zwei Prozent der Staatsausgaben wird das Budget des Gesundheitssystems im Krisenland für das kommende Rechnungsjahr voraussichtlich betragen. Damit ist das System heillos unterfinanziert, was sich auch jetzt schon an dem niederschmetternden Fakt zeigt, dass das gesamte öffentliche Krankenpersonal des Landes seit März dieses Jahres nicht mehr bezahlt wurde. Es zeigt sich also, dass die Rüstungsexporte aus dem Ausland den Südsudan schädigen und den Konflikt immer weiter befeuern. Auch die großen Summen, die für Waffen und Munition bezahlt werden, fehlen im Staatshaushalt an anderer Stelle. So nimmt der Import an Waffen den Menschen die Möglichkeit einer anständigen medizinischen Versorgung, obwohl sie sehr oft eben durch diese Waffen seelische und körperliche Verletzungen davontragen. 4) Spiegel-Online: Ohne Lohn gegen das Sterben der Kinder; Artikel vom 17.07.17
Obwohl die Krise im Südsudan hinter Syrien und Afghanistan die drittgrößte Flüchtlingskatastrophe der Welt ist, sind Hilfsprojekte chronisch unterfinanziert und auch das öffentliche Interesse ist deutlich weniger ausgeprägt. Der Südsudan gilt heute mit 1,4 Millionen Flüchtlingen als zweitgrößtes Herkunftsland von Vertriebenen weltweit. Auch unter den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen ist der Südsudan mit 2,2 Millionen Flüchtlingen vertreten. Es fliehen also schon mehr als drei Millionen Menschen vor der Gewalt, die das Land in Afrika seit so langer Zeit beherrscht. Durch Waffenlieferungen und einem halbherzigen Auftreten gegenüber dem südsudanesischen Regime machen sich auch Länder der UNO am anhaltenden Blutvergießen im Südsudan mitschuldig. Das geforderte Waffenembargo und andere Sanktionen gegen die politisch Verantwortlichen sind ein unausweichlicher Schritt für die Befriedung des Landes und sollten endlich von allen Staaten der UNO schnellstmöglich beschlossen werden. 5) The UN Refugee Agency: Anzahl der Flüchtlinge aus Südsudan steigt auf 1,5 Mio.; 10.02.17
Fußnoten und Quellen:
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