Schutzzonen in Syrien – noch garantieren sie keine Sicherheit
Letzten Freitag unterzeichneten die Konfliktparteien Russland, Türkei und Iran ein Abkommen über die Schaffung sogenannter „Safe Zones“ in Syrien. Das Abkommen versichert die Einrichtung von vier Schutzzonen, in denen sich aktuell über zweieinhalb Millionen Menschen befinden. In diesen Arealen sollen keine kriegerischen Aktivitäten ausgeführt werden. Die Pläne enthalten beispielweise ein Flugverbot über den festgelegten Gebieten. Es soll den Konfliktparteien jedoch weiterhin erlaubt sein, auch innerhalb der Zonen gegen den IS und gegen Al-Qaida nahe Gruppen militärisch vorzugehen. 1) Aljazeera: Russia: Syrian safe zones plan comes into effect; Artikel vom 06.05.17 Unterzeichnet wurde die Vereinbarung weder von der syrischen Regierung, noch von Rebellengruppen. Das Assad-Regime spricht von einer Gewährung der Schutzgebiete. Es betont jedoch ebenfalls, es werde den Kampf gegen terroristische Vereinigungen auch dort fortführen. Wie und ob bei einer Kampfhandlung in der Schutzzone eine Unterscheidung zwischen terroristischen Gruppierungen und regierungsfeindlichen Rebellen durch die syrische Regierung getroffen wird, ist fraglich. 2) Die Zeit: Wer ist moderat und wer Terrorist?; Kolumne vom 16.09.16 Die Rebellen sehen hier zu viele Schlupflöcher für militärische Truppen und sie misstrauen sowohl der syrischen wie auch der russischen Regierung. Es gebe keine Auskunft darüber, welche Konsequenzen bei einem Bruch der Waffenruhe folgen würden.3) Aljazeera: Russia: Syrian safe zones plan comes into effect; Artikel vom 06.05.17
Auch bei der syrischen Opposition sorgt die Vereinbarung für Kritik. Zunächst lehne man den Iran in der Rolle des Vermittlers ab. Darüber hinaus seien die Pläne sehr vage und es habe bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits viele Verletzungen von ausgehandelten Waffenruhen gegeben. Die US-Regierung äußerte sich positiv zu dem Versuch für mehr Frieden zu sorgen, zweifelt jedoch daran, ob die Sicherheit in den Zonen wirklich garantiert werden könne. 4) Deutschlandfunk: Schutzzonen in Syrien ab Samstag vereinbart; nicht mehr verfügbar 5) The New York Times: Russia Reaches Deal for Syria Safe Zones, but Some Rebels Scoff; Artikel vom 04.05.17
Die grundlegende Idee der ‚Safe Zones‘
Grundsätzlich liegt den Zufluchtszonen die Idee zugrunde, einen sicheren Raum für die Zivilbevölkerung im eigenen Land zu schaffen. Sie sollen die BürgerInnen eines Staates davor schützen, zwischen die Fronten zu geraten. Zudem soll der Zugang zu humanitärer Hilfe in diesen Regionen erleichtert werden. Sie sind somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg in Richtung Frieden – jedoch nur wenn sie sorgsam aufgebaut, gut geschützt und mit humanitärer Hilfe vernetzt sind.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Sicherheit der Menschen in diesen Sektoren in vielen Fällen nicht gewährleistet werden konnte. Häufig werden genau diese Zufluchtsorte Ziele von Gewalt. Dies kann zum Einen daran liegen, dass sich bestimmte ethnische und religiöse Gruppen oder auch Soldaten dort versammeln. Für gegnerische Kriegsparteien bietet diese Versammlung feindlicher Personen ein Angriffsziel. Auch werden Schutzzonen von bewaffneten Gruppen zur Regeneration und zur Rekrutierung neuer Mitglieder genutzt. Hinzu kommen die oft problematischen Zustände in diesen Sektoren. Viele Menschen, die sich dort aufhalten, sind aus anderen Gebieten des Landes geflohen und haben ihre Arbeit dort zurückgelassen. Sie benötigen Wasser, Nahrung und medizinische Hilfe und sind somit von der Versorgung mit Hilfsgütern abhängig. Häufig steigen in diesen Gebieten die sozialen Spannungen stark an. Ein weiteres Problem, das die Schaffung dieser Zufluchtsgebiete mit sich bringt, ist die fälschliche Annahme, dass die Zivilbevölkerung innerhalb der Zone besondere Schutzrechte besitze, die den Menschen außerhalb nicht zufallen. Jedoch gilt das Verbot, gezielt die Zivilbevölkerung zu attackieren weiterhin – unabhängig von ihrem Aufenthaltsort innerhalb oder außerhalb der Grenzen des geschützten Terrains. 6) Human Rights Watch: Q & A: Safed Zones and the Armed Conflict in Syria; Artikel vom 16.03.17
Oft liegen hinter dem vordergründigen Argument, dem Schutz der Bevölkerung, noch weitere Gründe für die Einrichtung einer Safe Zone. So soll diese häufig Menschen von der Flucht in Nachbarländer zurückhalten und bereits Geflüchtete zur Rückkehr in die vermeintlich sicheren Bezirke bewegen. Auch ein Sprecher des russischen Militärs erklärte, dass diese Schutzgebiete Flüchtende ermutigen sollen, in ihr Land zurückzukehren. 7) Aljazeera: Russia: Syrian safe zones plan comes into effect; Artikel vom 06.05.17
Gefechte trotz Schutzzonen
Kurz nachdem die Vereinbarung über die syrischen Zufluchtszonen offiziell in Kraft getreten ist, kam es bereits zu Gefechten zwischen Rebellengruppen und der syrischen Armee in der Provinz Hama. Nach Auskunft der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sei auch die Stadt Al-Latamana am Wochenende unter Beschuss geraten. Die syrische Armee habe weitere Luftangriffe mit Fassbomben geflogen. 8) Syrian Observatory for Human Rights: Ceasefire violations continue in the ‚de-escalation zones‘ and the first 48 hours kill a child and 32 fighters and members of regime and the factions; Artikel vom 08.05.17 Eine Waffenruhe scheint es aktuell in den als sicher ausgeschriebenen Gebieten noch nicht zu geben. 9) Die Zeit: Gefechte trotz Schutzzonen; Artikel vom 07.05.17
Es wird deutlich, dass alleine mit der Einrichtung der vier demilitarisierten Zonen, Fluchtursachen nicht effektiv bekämpft werden. Die internationale Gemeinschaft muss ein klares Zeichen setzen, dass die Existenz von innerstaatlichen Zufluchtsorten kein Argument dafür ist, die eigenen nationalen Grenzen für Flüchtende zu verschließen. Amnesty International appelliert an alle Länder, die Syrer und Syrerinnen beherbergen, die Einrichtung der Schutzzonen nicht als Signal aufzufassen, Asylsuchende wieder zurückzuschicken. 10) Amnesty International: Syria: ‚de-escalation‘ zones must not mean refugees are forcibly returned; Pressemitteilung vom 04.05.17 Um auszuschließen, dass Menschen in diesen Schutzgebieten festgehalten und an einer Flucht in andere Länder gehindert werden, müsse der Zugang und das Verlassen der Zone geregelt und kontrolliert werden.
Internationale Hilfsorganisationen brauchen einen Zugang zu den Gebieten und es benötigt ausreichend FriedenswächterInnen, die sich für die Sicherheit der Zivilbevölkerung verpflichten. Die Unterzeichnung des Abkommens ohne die nötigen Maßnahmen ist alleine nicht zielführend. Die Zufluchtszonen müssen auch das bieten, was sie versprechen: Schutz vor Gewalt. 11) Human Rights Watch: Q & A: Safed Zones and the Armed Conflict in Syria; Artikel vom 16.03.17
Fußnoten und Quellen:
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