Venezuela in der Krise – Wer trägt die Schuld?
Massendemonstrationen in Caracas – Opposition und Bürger auf den Straßen
Zehntausende Menschen sind auf den Straßen. Sie werfen Steine und Molotow-Cocktails, zünden Müll an und stürmen Verwaltungsgebäude. Sie sind wütend und verzweifelt. Auf der anderen Seite: Die Polizei, die versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben. Polizisten, die Protestierende verprügeln. Schlägerbanden, die von Motorrädern aus auf Passanten schießen. Schauplatz ist Caracas, die Hauptstadt Venezuelas. Diese Bilder stellen den Alltag dar, und das seit mehreren Wochen. Erneut ist es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen, wobei mehrere Menschen verletzt und getötet wurden. Die Protestwelle richtet sich gegen die sozialistische Regierung des Präsidenten Nicolas Maduros. Er ist der direkte Nachfolger von Hugo Chávez und Politiker der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas. Im Dezember 2013 erreichte die Regierungspartei bei den landesweiten Kommunalwahlen die Stimmenmehrheit. Doch bei den Parlamentswahlen im Dezember 2015 erlangte das Oppositionsbündnis MUD eine knappe Zweidrittelmehrheit. Das Wahlergebnis erkannten Präsident Maduro und seine Regierung jedoch nicht an. Seitdem regiert er mit Sondervollmachten, ohne Beteiligung der Nationalversammlung. Ein weiterer Grund für die Aufstände, die seit Anfang April dieses Jahres im Land stattfinden, war die zeitweise Entmachtung des Parlaments. Der Oberste Gerichtshof in Venezuela hatte dem Parlament Ende März 2017 seine Kompetenzen entzogen und bis auf Weiteres sich selbst übertragen. In der Entscheidung des Gerichts hieß es, solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, würden die Kompetenzen des Parlaments vom Obersten Gerichtshof ausgeübt werden. Grund für diese Entscheidung ist der tiefe Konflikt zwischen Maduros Regierung und der Opposition. Diese kämpft seit einigen Monaten für eine Volksabstimmung über die Amtsenthebung des Präsidenten. Denn abgesehen von den Bürgern des Landes, macht auch die Opposition den Präsidenten für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich. Es bestehen extreme Engpässe bei Lebensmitteln, die Preise in den Supermärkten sind horrend hoch. Laut des venezolanischen Ärzteverbandes sterben Patienten in den Krankenhäusern, weil es an Krebsmedikamenten fehlt, andere verlieren Gliedmaßen wegen fehlender Antibiotika. Die Krankenhäuser verfügen nur noch über drei Prozent der benötigten Medikamente und Materialien. 1) www.zeit.de: Maduro bittet erstmals UN um Hilfe; Artikel vom 25.02.17
Maduros Vorwürfe gegen die USA – Wahrheit oder Abweisung von der eigenen Schuld?
Präsident Maduro vertritt die Meinung, dass der Versorgungsengpass die Folge eines „Wirtschaftskriegs“ gegen seine Regierung sei. Bereits im April 2014 bezichtigte er die amerikanische Regierung unter Präsident Barack Obama, sie würde einen Sturz seiner Regierung vorbereiten, um „Zugriff auf das venezolanische Öl zu bekommen.“ Er sagte, die Proteste hätten das Ziel, die wichtigsten Städte des Landes zu lähmen, um es so unmöglich zu machen, zu regieren. Wie in der Ukraine werde dann ein Sturz der Regierung folgen. 2) www.wsws.de: Maduro beschuldigt USA; Artikel vom 11.04.14 Nach Angaben von Victoria Nuland, Topdiplomatin des US-Außenministeriums für Europa, habe Amerika seit 1991 fünf Milliarden US-Dollar an Steuergeldern ausgegeben, um, wie sie es nennt, den Ukrainern zu helfen, „demokratische Fähigkeiten und Institutionen“ aufzubauen. Damit wurden scheinbar verschiedene Nichtregierungsorganisationen, politische Parteien und Medienkanäle finanziert. Tatsächlich bestätigte der damalige Präsident Barack Obama, nach monatelanger Leugnung, beim Ukraine-Putsch beteiligt gewesen zu sein. Die US-Administration habe als Strippenzieher im Hintergrund agiert. 3) www.deutsch.rt.com: Die zentrale Rolle der USA beim Maidan Putsch und darüber hinaus in der Ukraine; nicht mehr verfügbar Zudem kamen 2016 Dokumente ans Tageslicht, die das Agieren des US-Auslandsgeheimdienstes CIA in Ecuador offen legten: die CIA soll demnach Einfluss auf Medien und Militär genommen und versucht haben, die links-progressive Regierung von Rafael Correa zu destabilisieren. Indes sorgte eine Enthüllung des ehemaligen Politikers und Journalisten Jose Vicente Rangel für Aufregung: Vertreter der venezolanischen Opposition sollen in der Dominikanischen Republik zusammengekommen sein, um einen neuen Putschversuch von Maduros Regierung zu planen. An den Gesprächen hätten scheinbar auch Vertreter der CIA teilgenommen. Der Präsident der venezolanischen Opposition Julio Borges wies die Darstellungen jedoch zurück. 4) www.amerika21.de: Keine Fortschritte bei Dialog in Venezuela; Artikel vom 18.04.17 Die aufgezeigten Beispiele lassen annehmen, dass sich die USA auch in venezolanische Regierungsangelegenheiten einmischt. Beweise, dass die Anschuldigungen Maduros wahr sind, gibt es jedoch nicht.
Korruptionsvorwürfe gegen Maduro und seine Regierung
Doch auch gegen Nicolas Maduro und seine Regierung bestehen schwere Korruptionsvorwürfe, die die Beschuldigungen gegen die USA unglaubhaft wirken lassen. Um die familiäre Macht innerhalb des Parlaments zu stärken, wird beispielsweise der Generalstaatsanwältin Cilia Flores, Maduros Ehefrau, vorgeworfen, zahlreichen Familienmitgliedern Posten im Parlament verschafft zu haben. 5) faz.net: Der WUnschnachfolger des „Commandante“; Artikel vom 06.03.13 Grundsätzlich kämpfen Land und Regierung mit massiven Korruptionsvorwürfen. Die venezolanische Kongresskommission geht von 70 Milliarden US-Dollar aus, die von öffentlichen Institutionen abgezweigt wurden. 6) www.insightcrime.org: Widespread Corruption in Venezuela Backfires on President Maduro; Artikel vom 21.10.16 Laut den Anschuldigungen soll die Korruption der Führungsriege der Grund für die miserable wirtschaftliche Situation Venezuelas sein. Entwicklungshilfegelder oder die Einnahmen durch Ölexporte sollen zu großen Teilen in die eigenen Taschen geflossen sein, wenig kam beim Volk an oder wurde sinnvoll investiert. Auch The Global Coalition Against Corruption schätzt Venezuela als höchst korrupt ein. 7) www.transparency.org: Venezuela; Stand vom 24.04.17 Die Regierung weist diese Vorwürfe strikt zurück.
Abhängigkeit von Ölexporten
Es ist eine leichte Ironie vorhanden: Venezuela ist das Land mit den größten Ölvorkommen – und doch ist momentan kein Tank voll und die Wirtschaft des Landes ist stark bedroht. Die Ölproduktion durch den staatlichen Ölkonzern PDVSA macht praktisch die gesamten Exporte des Landes aus. Der Staatshaushalt finanziert sich zu 96 Prozent aus diesen Exporterlösen. Doch nirgendwo ist das Verhältnis zwischen Reserven und Förderung so ungünstig wie in Venezuela. Die Erdölindustrie liegt größtenteils brach. Der ehemalige Präsident Chavez hatte riesige Konzerne als politisches Werkzeug genutzt. Er schraubte die Investitionen stark zurück, erhöhte aber gleichzeitig die Abgaben, die die Erdölförderer dem Staat zahlen mussten. Mit Erfolg finanzierte er damit höhere Sozialausgaben, die Armutsquote sank von knapp 50 auf 30 Prozent. Doch die Konzerne blieben verschuldet, Geld für Instandhaltungen und Investitionen war nicht mehr vorhanden. Zusätzliche Gründe für die Ölkrise sind mangelnde Fachkräfte und die extrem niedrigen Benzinpreise innerhalb des Landes. 8) www.faz.net: Das erdölreichste Armenhaus der Welt; Artikel vom 15.12.14
Oppositionelle Forderungen an Maduro
Auch UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich äußerst besorgt über den blutigen Machtkampf. „Wir rufen dazu auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Spannungen zu verringern und weitere Zusammenstöße zu verhindern“, sagte er. 9) www.wiwo.de: Venezuela am Rande des Bürgerkriegs; Stand vom 21.04.17 Die Opposition wird die Aufstände beenden, sobald Nicolas Maduro ihre Forderungen erfüllen wird. Sie verlangt die Freilassung der politischen Gefangenen, Anerkennung der Rechte des Parlaments, Aufstellung eines Wahlkalenders und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Menschen. Die Bundesregierung steht in dieser Angelegenheit hinter der Opposition und setzt die Erfüllung der Anforderungen für die Wiederaufnahme der Gespräche mit der venezolanischen Regierung voraus. 10) www.amerika21.de: USA und deutsche Regierung unterstützen Opposition in Venzuela; Artikel vom 22.04.17 Ob Präsident Maduro sich auf die Forderungen einlassen wird, wird sich in der Zukunft zeigen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob man dahingehend optimistisch sein kann.
Fußnoten und Quellen:
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