Kohlekonzerne in Malawi gefährden die Bevölkerung vor Ort – Neues Informations-Gesetz soll helfen
Eines Morgens rollen plötzlich Planierraupen durch das Dorf, an Feldern und Häusern der Bauern vorbei – und niemand hat eine Erklärung, was da vor sich geht. So erging es Nagomba E. und ihrer Familie 2008, als der Bergbaukonzern Eland seine Kohleminen in ihrem Heimatdorf Mwabulambo, im Norden Malawis, baute. In einem Bericht von Human Rights Watch berichtete sie ihre Geschichte und beschrieb ihre Verwunderung, als plötzlich Lastwagen mit Maschinen eintrafen. Was wollen sie hier? Würden sie Arbeit bringen? Jobs? Würden sie die Entwicklung des Dorfes und der medizinischen Infrastruktur fördern?
Ihre ersten Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Firma zerstörte beim Bau der Mine die Wasserleitungen. Dies führte dazu, dass Nagomba ihren Wasseranschluss nicht mehr nutzen konnte und infolgedessen täglich zum nächstgelegen Fluss laufen musste. Dabei hatte sie immer Angst, dass das Wasser dort verschmutzt und giftig sein könnte. Es ging schließlich so weit, dass Nagombas Familie und ihre Nachbarn gezwungen wurden, ihr Haus zu verlassen. Die Entschädigung, die sie dafür erhielten, reichte für den Kauf eines neuen Grundstückes und den Bau eines Hauses nicht aus, so dass ihre Familie zusätzlich noch zwei ihrer Kühe verkaufen musste. 1) Human Rights Watch: „They destroyed everything“; Artikel vom 27.09.16
Und was passiert, wenn die Vorkommen erschöpft sind oder der Standort für den Konzern nicht mehr rentabel ist?
In Nagombas Fall verließ die Firma das Gelände wieder, ohne die Bevölkerung vorab zu informieren – und hinterließ ein verschmutztes Minengelände, Kohleberge und offene Gruben. 2) Human Rights Watch: „They destroyed everything“; Artikel vom 27.09.16
An Nagombas Geschichte zeigt sich die Vorgehensweise vieler internationaler Konzerne, die das Rohstoffvorkommen eines Landes nutzen wollen, ohne dabei auf die Interessen und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung zu achten. 3) Human Rights Watch: The Failed Promise of Mining Embitters Malawians; Artikel vom 30.09.2016 In einer Studie 4)MISEREOR, Brot für die Welt, ECCHR: Unternehmen zur Verantwortung ziehen“; Studie vom Juni 2014 von MISEREOR, Brot für die Welt und ECCHR werden zwei übliche Formen von Landraub durch Großkonzerne erklärt. In einigen Fällen enteignet der Staat selbst die Bewohner und verkauft das Land an die Unternehmen weiter. Eine Entschädigung wird der lokalen Bevölkerung häufig nur dann gezahlt, wenn sie ihre Eigentumsrechte formal nachweisen können – welche jedoch meist nicht dokumentiert sind. Kommt es zu einer Entschädigungszahlung, ist die Summe oft zu gering. Darüber hinaus ist eine Entschädigung in Form von Geldzahlungen in vielen Fällen nicht nachhaltig, da die Menschen meist von Subsistenzwirtschaft leben und somit von Ersatzland weit mehr profitieren würden. Geklagt werden kann in diesem Fall nur gegen den Staat, da das Unternehmen einen legalen Vertrag zum Landkauf abgeschlossen hat.
In anderen Fällen verhandeln Konzerne direkt mit den traditionellen Chiefs vor Ort über das Land. Hier entstehen für die DorfbewohnerInnen häufig sehr ungünstige Verträge. Dies liegt an der unzureichenden Information: die Verträge sind oft nicht in Landessprache verfasst und das Unternehmen verschleiert sein genaues Vorhaben. Die sogenannten Chiefs erhoffen sich meist eine Verbesserung der Situation für ihr Dorf durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und neuer Infrastruktur.
Doch, wie in Nagombas Geschichte beschrieben, ist der Landverlust nicht die einzige Folge des Rohstoffabbaus. Es kommt zu vielfältigen Umweltfolgen, von denen hier nur einige genannt werden sollen. So hat der Abbau natürlich vorkommender Rohstoffe häufig eine Verschmutzung des Grund- und Trinkwasser zur Folge. Dies wiederum führt zu Gesundheitsschäden bei den Menschen vor Ort und wirkt sich negativ auf die Landwirtschaft aus. Ernten fallen geringer aus und Nutztiere entwickeln durch die Aufnahme des verschmutzten Wassers Missbildungen. Die Menschen werden somit nicht nur aktiv durch die Unternehmen, sondern auch passiv durch eine gravierende Beeinträchtigung ihrer Lebensbedingungen aufgrund des Bergbaus zur Umsiedlung gezwungen. 5)MISEREOR, Brot für die Welt, ECCHR: Unternehmen zur Verantwortung ziehen“; Studie vom Juni 2014 6) MISEREOR: Wenn nur die Kohle zählt – Deutsche Mitverantwortung für Menschenrechte im südafrikanischen Kohlesektor; Studie vom April 2016
Kohle ist in Deutschland nach wie vor der wichtigste Energieträger. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der Anteil des aus Kohle gewonnenen Stroms im Jahr 2016 bei 40 Prozent – davon macht Steinkohle 17,2 Prozent und Braunkohle 23,9 Prozent aus. 7) Statistisches Bundesamt: 40% des Stroms aus Braun- und Steinkohle in 2016; Artikel vom 15.03.17 Aus dem Ausland wird vor allem Steinkohle importiert. 8) energate messenger: Import von Steinkohle um 15 Prozent gestiegen; Artikel vom 17.04.14 Im Jahr 2016 lag die Einfuhr von Steinkohle bei insgesamt 44 664 519 Tonnen. 9) Statistisches Bundesamt: Verwendung; abgerufen am 11.04.17 Der größte Anteil der Importe stammt dabei aus Russland und Kolumbien. Auch wenn eine große Zahl deutscher Energiekonzerne durchaus ein Bewusstsein für ihre menschenrechtliche Verantwortung besitzt, wird eine Überprüfung der gesamten Zulieferketten häufig nicht durchgeführt. 10) MISEREOR: Wenn nur die Kohle zählt – Deutsche Mitverantwortung für Menschenrechte im südafrikanischen Kohlesektor; Studie vom April 2016
Im Februar hat der Präsident Malawis, Peter Mutharika, ein Gesetz verabschiedet, das der Bevölkerung den Zugang zu Information erleichtern soll. Die EinwohnerInnen Malawis sollen über die Prozesse der Rohstoffgewinnung in ihrem Land ausreichend unterrichtet werden. Dies betrifft vor allem Wissen über gesundheitlichen Risiken, Sicherheit, und Umweltfolgen. Katharina Rall, Forscherin von Human Rights Watch, betont, dass es nun wichtig sei, die Menschen dazu zu befähigen, dieses Gesetz auch entsprechend zu nutzen. Die Informationen sollen auch für Personen verfügbar sein, die nicht lesen oder schreiben können. 11) Human Rights Watch: New Law Brings Malawi’s Mining Communities Hope; Artikel vom 19.02.17 12) Human Rights Watch: Malawi: Information Bill Aids Mining Communities; Artikel vom 25.01.17
Die malawische Regierung hat einen wichtigen Schritt getan. Doch die Verantwortung für den Schutz der Menschen liegt nicht alleine beim Staat, sondern insbesondere auch bei internationalen Minenbetreibern. MISEREOR fordert, dass Staaten wie Deutschland nicht wegsehen, wenn deutsche Unternehmen im Ausland Menschenrechtsverletzungen verursachen. Es gilt, verbindliche Menschenrechtsvorgaben für eigene Unternehmen, die im Ausland investieren, vorzuschreiben.13)MISEREOR, Brot für die Welt, ECCHR: Unternehmen zur Verantwortung ziehen“; Studie vom Juni 2014
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare