Israel: Beduinen werden mithilfe deutscher Spendengelder vertrieben
Als Zeichen des Friedens und der Versöhnung wurde mit Hilfe deutscher Spenden in der Wüste Negev im Süden Israels ein Wald in Gedenken an die Opfer des Holocaust angelegt. Das Projekt begann auf Initiative der 16 deutschen Ministerpräsidenten im Jahr 1991. Inzwischen haben alle deutschen Bundesländer einen Teil des Gedenkwalds gestiftet und auch Parteien wie die SPD sowie deutsche Städte investierten in die Bepflanzung. Sogar Unternehmen, beispielsweise ZDF und Bayern 3 beteiligen sich an dem Projekt. Das Gebiet, auf welchem der Wald gepflanzt wurde, ist jedoch ursprünglich von arabischen Beduinen bevölkert, welche im Zuge der Bewaldung durch den israelischen Staat von ihrem Land vertrieben wurden. 1) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17
Der Volksstamm stellt eine muslimische Minderheit in Israel dar und lebt ursprünglich halbnomadisch von Viehzucht und Ackerbau. Mit der Gründung Israels im Jahr 1948 wurden die Beduinen gleichberechtigt mit den Juden als Staatsbürger anerkannt. Grundsätzlich werden ihnen also auch Bürgerrechte zuerkannt, praktisch hingegen leben viele von ihnen auf staatlich nicht anerkanntem Gebiet und sind daher der Vertreibung durch die israelische Regierung schutzlos ausgeliefert. Dabei findet teilweise sogar eine mehrfache Zerstörung beduinischer Häuser, Ställe und Äcker statt, sofern die Beduinen versuchen, ihre verlorene Existenz wieder aufzubauen. 2) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17
Ihr Land hatten die Vorfahren der heutigen beduinischen Bevölkerung jedoch noch vor der Gründung des Staates Israel auf rechtlichem Wege erworben und etwa in einem guten Erntejahr durch den Ankauf weiterer Flächen erweitert. In den fünfziger Jahren wurden sie jedoch vom israelischen Staat enteignet. Die in altem arabisch verfassten Kaufverträge wurden ungültig und damit wertlos. Ein Eigentumsanspruch auf das ehemals mühsam erworbene Gebiet wird seither seitens der Regierung nicht mehr anerkannt. 3) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17
Die Idee hinter diesen Eingriffen besteht darin, die Beduinen in ausgewiesene Flächen umzusiedeln, sie damit lokal zu konzentrieren und ihre weitere Ausbreitung zu vermeiden. Jedoch ist das für die Zwangsumsiedelung vorgesehene Gebiet sehr klein. So wird jeder Familie nur 0,1 Hektar Land zugewiesen. Dies reicht jedoch nicht aus, um dem Volksstamm seine traditionelle Lebensweise, basierend auf Subsistenzwirtschaft, weiterhin zu ermöglichen. Auf den wesentlich größeren, geräumten Flächen werden hingegen Wälder kultiviert oder moderne Siedlungen errichtet. Jedoch nicht für Beduinen, sondern jüdische Staatsbürger. Vorgesehen ist der Bau von Spielplätzen, Schwimmbädern und ausgedehnten Parkanlagen sowie Wasser- und Stromversorgung. 4) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17
Die Siedlungsgebiete der Beduinen hingegen werden seit Jahren nicht mit Infrastruktur versorgt. Es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom und keine Müllabfuhr. Auch Telefon, Schulen oder Kliniken sucht man in den Dörfern vergeblich. 5) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17 Dabei ist es Unternehmen sogar gesetzlich verboten, die Infrastruktur in Gebiete ohne Baugenehmigung auszuweiten. 6) Adalah: From Al-Araqib to Susiya – The forced displacement of Palestinians on Both Sides of the Green Line; Mai 2013
In der Räumung der besiedelten Flächen geht die israelische Regierung äußerst brutal gegen die beduinische Bevölkerung vor. Wer nicht freiwillig sein Haus verlässt, wird niedergeknüppelt. Schnellfeuergewehre und ein enormes Polizeiaufgebot sollen einschüchternd wirken und signalisieren unverkennbar, dass kein Raum für Widerstand bleibt. Oft erfolgt eine solche Räumung innerhalb von 24 Stunden ohne Vorankündigung, so dass den Bewohnern kaum Zeit bleibt, ihr Hab und Gut vor den alles vernichtenden Bulldozern in Sicherheit zu bringen. Innerhalb weniger Stunden ist ein ganzes Dorf ausgelöscht, Habseligkeiten dem Erdboden gleich gemacht und die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen zerstört. 7) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17 Ein weiteres fragwürdiges Vorgehen des israelischen Staates gegenüber der beduinischen Minderheit besteht allerdings auch in der Vernichtung ihrer überlebenswichtigen Agrarflächen. Dabei werden beispielsweise Gifte eingesetzt, welche Böden, Wasser, Tiere, Pflanzen und Menschen nachhaltig schädigen.
Die neuen vom Staat ausgewiesenen Siedlungsgebiete der Beduinen ähneln eher einem Flüchtlingslager. Die Häuser bröckeln und auch hier gibt es weder Strom noch asphaltierte Straßen oder eine Müllabfuhr. Viele Kinder leiden unter Durchfallerkrankungen aufgrund der Enge und der schlechten hygienischen Bedingungen. Und auch die Versorgungslage in den neuen Siedlungen verschlechtert sich. Nur wenige Tiere können noch auf dem kleinen Land gehalten werden, so dass die Versorgung ganzer Familien zunehmend erschwert wird. 8) Süddeutsche Zeitung Magazin: Baum der Vertreibung; Artikel vom 24.03.17
Als Rechtfertigung für die willkürlichen Zwangsumsiedlungen des beduinischen Volksstammes verweist die israelische Regierung auf eine britische Landverordnung aus dem Jahr 1928. So besaßen die Briten nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches in Folge des Ersten Weltkriegs die Mandatsherrschaft über Palästina und verlangten von allen Landbesitzern, ihr Territorium registrieren zu lassen. Die Beduinen konnten jedoch kaum lesen, sie lebten abgeschieden von Ackerbau und Viehzucht und wuchsen daher meist ohne Schulbildung auf. Als Israel 1953 jede unregistrierte Landfläche als Staatsbesitz deklarierte, ging dem Volksstamm auf diese Weise eine Fläche von rund 100.000 Hektar verloren.
Die arabische Bevölkerung, welche rund 30 Prozent der israelischen Gesamtbevölkerung ausmacht, wird daher auf vermeintlich legaler Grundlage immer weiter zurückgedrängt, während für jüdische Familien stetig größere Siedlungsräume zur Verfügung gestellt werden. 9) TAZ: SPD-Wald besetzt Beduinenland; Artikel vom 15.04.13 So wurden bereits zwischen 2008 und 2011 etwa 14.000 Beduinen ihrer Heimat beraubt und von ihrem Land vertrieben, von welchem die israelische Regierung behauptet, es sei illegal in Besitz genommen worden. 10) Adalah: From Al-Araqib to Susiya – The forced displacement of Palestinians on Both Sides of the Green Line; Mai 2013
Als vertriebenes, rechtloses Volk haben die Beduinen kaum eine Chance, sich Gehör zu verschaffen. Ohne schulische Bildung sind sie damit der Willkür des israelischen Staates verstärkt ausgesetzt. Die Ignoranz ihrer Situation durch die internationale Gemeinschaft trägt dabei gleichsam nicht zu einer Verbesserung ihrer unverschuldeten Notlage bei.
Fußnoten und Quellen:
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