Kooperation der EU mit Äthiopien: Fluchtursachen können nicht in Zusammenarbeit mit Gewaltherrschern beseitigt werden
Laut einem vertraulichen Protokoll will die EU mit ostafrikanischen Machthabern über eine Rückführung und Rückübernahme von Migranten verhandeln. In der Sitzung der EU-Botschafter vom 23. März wurde die Thematik besprochen, da die Lage im Rückführungsbereich „unbefriedigend“ sei. Dabei werden in den vertraulichen Länderpapieren die Menschenrechtssituation und die humanitäre Situation in Äthiopien als „katastrophal“ eingeschätzt. Dennoch kann sich die EU hier eine stärkere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden vorstellen, wie etwa einen „verbesserten Informationsaustausch mit der Polizei“. Im Gegenzug für die Kooperation könne man über Wirtschaftshilfen und Visaerleichterungen für Diplomaten nachdenken. 1) focus online: Streng geheime Papiere: EU will mit Despoten kooperieren; Artikel vom 14.4.2016
Äthiopien ist ein Binnenstaat im Osten Afrikas. Auf dem Human Development Index (HDI) steht es aktuell (Stand 2015) von 188 teilnehmenden Ländern auf Platz 173. Der HDI, zu Deutsch der Index für humane Entwicklung, ist zusammengesetzt aus dem Bruttonationaleinkommen pro Kopf, der Lebenserwartung sowie dem Bildungsstandart. 2) UNDP: Human Development Index (HDI); Stand von 2015
Das Land ist von Herrschaftskriegen geprägt. In einem Bürgerkrieg der 1991 begann, etablierte sich die Rebellengruppe EPRDF als Regierungspartei und regiert nun das Land. Human Rights Watch berichtete von gezielten Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigungen als Aufstandsbekämpfung im Jahr 2008. Laut Amnesty International schränken die 2009 erlassenen Gesetze im Rahmen der Antiterrormaßnahmen die Rechte auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit und von Menschenrechtsgruppen im Land stark ein. Auch die Todesstrafe ist bei Verstoß gegen diese Gesetze üblich. Weiter schreibt Amnesty International, dass friedliche Demonstranten, Journalisten und Mitglieder der politischen Opposition willkürlich verhaftet werden. 3) amnesty international: Äthiopien: Regierung inhaftiert und foltert Oppositionelle; Artikel vom 28.10.2014 Auch Homosexualität ist strengstens verboten. Verurteilte können mit bis zu 10 Jahren Haft rechnen. Die Diskriminierung sexueller Minderheiten ist weit verbreitet. 4) cori country report: Ethiopia; Stand von 2010
Schätzungsweise 49 Prozent der Bevölkerung sind unternährt und Millionen von Äthiopiern sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Ursachen sind Dürre und Überschwemmungen, vor allem verursacht auch durch Entwaldung. Auch die mangelhafte Infrastruktur spielt eine große Rolle. Nicht einmal jeder zweite soll Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und Kinderarbeit ist weit verbreitet. 5) wikipedia: Äthiopien; Stand vom 7.10.2016
Die schlechte Menschenrechtslage und humanitäre Situation treibt folglich viele Menschen in die Flucht. Jede Kooperation mit Äthiopien in Migrationsfragen sei demnach moralisch fragwürdig und gleichzeitig eine sinnlose Geldverschwendung, solange immer noch unzählige Menschen genau wegen staatlicher Verfolgung fliehen, so Ulrich Delius, GfbV-Afrikareferent. Weiter erklärt er:
„Fluchtursachen können nicht in Zusammenarbeit mit Gewaltherrschern beseitigt werden, die ihre eigene Bevölkerung verfolgen und terrorisieren und so zur Flucht zwingen.“
Erst am vergangenen Wochenende wurden hunderte von Oromo, einer ethnischen Minderheit, bei Protesten blutig niedergeschlagen. 6) epo: Äthiopen und Sudan; GfbV fordert Bekämpfung von Fluchtursachen; Artikel vom 6.10.2016
Lotte Leicht, EU-Direktorion von Human Rights Watch prangert die EU-Politik an:
„Es ist unglaublich zynisch, wenn die Europäische Union, die auf Werten basiert und die europäische Regierung, die sagen, dass ihnen die Menschenrechte etwas bedeuten, mit menschenrechtsverachtenden Regierungen zusammenarbeiten, nur mit dem Ziel, Menschen davon abzuhalten nach Europa zu kommen.“ 7) focus online: Streng geheime Papiere: EU will mit Despoten kooperieren; Artikel vom 14.4.2016
Nur aktive Zusammenarbeit gegen Unterdrückung und Vertreibung ist langfristig wirksam, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Mit so viel Ignoranz wird die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen, beteuert Delius weiter. Am Wochenende beginnt Angela Merkel ihre Afrikareise, auf der sie auch Äthiopien besuchen wird. 8) epo: Äthiopen und Sudan; GfbV fordert Bekämpfung von Fluchtursachen; Artikel vom 6.10.2016
Fußnoten und Quellen:
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