Syrien: UN-Gelder an Assad-Regime – über das moralische Dilemma der Entwicklungshilfe
Einer investigativen Untersuchung der britischen Zeitung The Guardian zufolge fließen mehrere zehn Millionen Dollar an UN-Hilfsgeldern durch assoziierte Unternehmen und Personen indirekt an das Assad-Regime. In diesem Zusammenhang sind Zahlungen an 258 Unternehmen in Syrien bekannt, die von 30.000 bis zu 54 Millionen Dollar reichten. Dies alles obwohl die syrische Regierung in den letzten fünf Jahren hunderttausende Todesopfer zu verantworten hat.
So flossen mehr als 13 Millionen Dollar direkt an das Assad-Regime, um die Landwirtschaft zu unterstützen. Vier Millionen gingen an eine staatliche Raffinerie und die WHO zahlte fünf Millionen Dollar für die staatliche Blutbank Syriens. Auch die sogenannte Syria Trust, eine Wohltätigkeitsorganisation, die von Baschar al-Assads Ehefrau Asma kontrolliert wird, erhielt 8,5 Millionen Dollar. Und all dies sind nur einige Beispiele für ein schier blindes Vertrauen gegenüber einem unmenschlichen Gewaltregime. Wie kann die UN sicher sein, dass die Mittel nicht zweckentfremdet werden? Wie konnte sich die UN auf einen solchen Pakt mit dem Diktator einlassen?1)The Guardian: UN pays tens of millions to Assad regime under Syria aid programme; Artikel vom 29.08.2016
„Wenn man mit der Entscheidung konfrontiert wird, entweder Güter und Dienstleistungen von Unternehmen zu unterstützen, die vielleicht mit der Regierung in Verbindung stehen oder Zivilisten ohne lebenswichtige Unterstützung alleine zu lassen, ist die Wahl klar: Unsere Pflicht liegt bei den Zivilisten in Not“, verteidigt ein UN-Vertreter die Vorgehensweise. In der Tat scheint die Entscheidung nicht einfach, wenn man durch ein autoritäres Regime vor die Wahl gestellt wird, tatenlos zuzusehen oder mit ihm zusammenzuarbeiten. Doch mit jedem gezahlten Dollar geht auch eine Legitimierung der Taten des Regimes einher. „UN-Vertreter argumentieren, dass in einer solch komplexen und gefährlichen Situation, in denen sie trotzdem Hilfe leisten müssen, einiges an Zugeständnissen und Entgegenkommen zu den Forderungen des Regimes unausweichlich sind. Mit diesem mutmaßlichen Pragmatismus hat die UN sich allerdings lange einer besorgniserregenden Nähe zum Regime hingegeben.“, entgegnet Dr. Reinoud Leenders, ein Experte in War Studies des King’s College in London. Er kritisiert die „lukrative Vergabe von Aufträgen an die Spießgesellen des syrischen Regimes, deren Finanzierung genau die Repression und Brutalität ermöglicht, die die humanitären Bedürfnisse des Landes erst hervorbringen.“2)The Guardian: UN pays tens of millions to Assad regime under Syria aid programme; Artikel vom 29.08.2016
Die UN besteht trotzdem weiter darauf, Millionen von Leben durch diese Zahlungen gerettet zu haben, was nur durch eine Zusammenarbeit mit dem Regime möglich wurde. „Das übergeordnete Ziel muss es bleiben, so viele Zivilisten wie möglich zu erreichen“, kommentiert der UN-Vertreter weiter. „Unsere Möglichkeiten in Syrien sind durch einen in höchstem Maße unsicheren Kontext sehr begrenzt, in dem es äußerst herausfordernd ist, Partner zu finden, die in belagerten oder schwer erreichbaren Gegenden operieren.“3)The Guardian: UN pays tens of millions to Assad regime under Syria aid programme; Artikel vom 29.08.2016
Im Juni warfen die Organisation „The Syria Campaign“ und 50 weitere NGO’s der UN jedoch bereits vor, ihre Prinzipien verraten zu haben. Sie soll Forderungen des Regimes nachgegeben haben, in von Rebellen kontrollierten Gebieten keine Hilfe zu leisten. Eine Entscheidung, die tausende Zivilisten das Leben gekostet haben soll.4)Süddeutsche Zeitung: UN unterstützen offenbar indirekt das syrische Regime; Artikel vom 30.08.2016
In dieser Debatte treffen zwei Prinzipien aufeinander, die schwer oder gar nicht miteinander zu vereinbaren sind: Zivilisten in Not muss geholfen, doch mit einem verbrecherischen Regime darf nicht zusammengearbeitet werden. Der Zugang der Hilfe führt über Assad, doch kommt sie danach auch dort an wo sie gebraucht wird? Die UN ist einen Pakt mit einem ruchlosen Diktator eingegangen. Doch ist es ein gerechtfertigter Vertrag? Darf Hilfe geleistet werden, wenn es möglich ist, dass sie anderenorts Leid hervorbringt, dass sie den Konflikt verlängern kann? Die UN steht zu Recht in der Kritik, doch wäre Untätigkeit eine bessere Option?
Fußnoten und Quellen:
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