Opfer europäischer Flüchtlingspolitik – LGBTI im Maghreb
Für die Gemeinschaft der Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen in den Maghreb-Staaten ist keine Unterstützung in Sicht. Deren sexuelle Orientierung bzw. Lebensweise ist in Nordafrika nicht nur kulturellen, sondern auch noch immer staatlichen Repressionen ausgesetzt. So wird insbesondere Homosexualität in Marokko, Libyen und Algerien als Straftat eingestuft, die mit Geldstrafen und Gefängnis belegt wird. 1)Amnesty International; Stand: 05.07.2016 Selbst im einzigen durch den „Arabischen Frühling“ faktisch demokratisierten Staat, Tunesien, wird „Sodomie und Lesbianismus“ mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet.2)Amnesty International: Tunisia 2015/2016; Stand: 05.07.2016 Aber nicht nur die LGBTI-Community selbst ist Verfolgung solcher Art ausgesetzt, auch ihre Fürsprecher geraten in Bedrängnis. So verweigerte Tunesien einem festgenommenen Protestler Ende 2015 sechs Tage lang einen Anwalt. „Tunesien mag sicher für die Mehrheit sein,“ kommentiert der LGBTI -Aktivist Bakr Baabou, „aber wenn man einer Minderheit angehört, ist das etwas ganz anderes.“3)Männer: „Tunesien ist nicht sicher für LGBTI“; nicht mehr verfügbar
Doch Deutschland und Europa schauen weg und opfern die Verfolgten ihrer Innen- und Flüchtlingspolitik.4)Die Zeit: Bundesregierung ignoriert Homosexuellenverfolgung; Stand: 12.05.2016 Bereits im März schloss die Bundesregierung sogenannte „Rückübernahmeabkommen“ mit Algerien, Marokko und Tunesien ab.5)Bundesregierung: Länder wollen Staatsbürger zurücknehmen; nicht mehr verfügbar Im Mai folgte ein Gesetz, das die Maghreb-Staaten zu sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ erklärt. Die Große Koalition in Berlin erhofft sich von diesen Beschlüssen vor allem, die Asylanträge und Abschiebungsverfahren der betroffenen Bürger aus Tunesien, Marokko, Libyen und Algerien beschleunigt behandeln zu können. Ein Versuch, den innenpolitischen Druck von rechts abzubauen, der aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen herrscht.6)Die Zeit: Unsicherheit über die „sicheren Herkunftsstaaten“; Artikel vom 14.06.2016 In Kürze wird das Gesetz nun im Bundesrat verhandelt und schien bisher an der Zustimmung der Grünen zu scheitern. Diese zeigten sich jedoch in den vergangenen Tagen zu Kompromissen bereit.7)Die Zeit: Kretschmann tendiert im Asylstreit zum Ja; Artikel vom 15.06.2016
Doch nicht nur die Bundesrepublik, auch die Europäische Union wirkt mit ihrer Verhandlungspolitik alles andere als unterstützend für Homo- und Transsexuelle im Maghreb. Diese diskutiert mit Marokko, Algerien und Tunesien ebenfalls über „Rückübernahmeabkommen“.8)Rheinische Post: EU verhandelt mit Nordafrika über Migranten-Rücknahme; Artikel vom 09.01.2016 Wie kann es sein, dass Europa und insbesondere Deutschland den LGBTI -Menschen in Nordafrika mit dieser Gleichgültigkeit begegnen? Nicht nur das Bundesverfassungsgericht beschloss bereits 1996, dass Staaten, die einzelne Bevölkerungsgruppen verfolgen, nicht als sicher eingestuft werden können. Der Europäische Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung 2013.9)Die Zeit: Bundesregierung ignoriert Homosexuellenverfolgung; Artikel vom 12.05.2016 Doch stellt sich neben einer rechtlichen nicht auch eine humanitäre Frage? Dürfen Minderheitenrechte geopfert werden, um in Europa innenpolitische Machtpolitik betreiben zu können? Eine Wertegemeinschaft kann sich nur als eine solche bezeichnen, wenn sie diese Werte nicht für ihre Realpolitik verschenkt und dafür sexuelle Minderheiten der Flüchtlingspolitik opfert.
Fußnoten und Quellen:
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