Der Milchpreis und der Weltmarkt: des einen Freud ist des anderen Leid
Zuletzt durften sich Verbraucher in Deutschland und anderen europäischen Staaten über die Senkung der Preise von Milchprodukten freuen. Leider hat das niedrige Milchpreisniveau auch negative Konsequenzen, und das sowohl im Inland, als auch andernorts.
Nationale und globale Auswirkungen des niedrigen Milchpreisniveaus
Seit 2011 haben die Exportnationen Neuseeland, USA, Australien, Argentinien und die EU ihre Milcherzeugung um mehr als 20 Millionen Tonnen erhöht. Mit elf Millionen Tonnen ist die Europäische Union für mehr als 50 Prozent der zusätzlichen Milchproduktion verantwortlich. Die EU ist auch die Hauptverantwortliche für den Milchpreisverfall, denn im Gegensatz zu Neuseeland und Australien hob sie ihre Milchherstellung seit 2015 zusätzlich an. Dazu konnte es kommen, weil 2015 die europäische Milchquotenregelung auslief. Diese bestimmte in den vergangenen 30 Jahren, wie viel Milch Bauern produzieren und verkaufen durften. Der Milchverbrauch in den Herstellungsländern ist in den vergangenen Jahren nicht angestiegen. Zusätzlich sind wichtige Absatzmärkte wie Russland und China weggefallen. Über Russland hat die EU nämlich ein Wirtschaftsembargo verhängt und in China ist die Nachfrage aufgrund finanzieller Engpässe stark gesunken. 1)Germanwatch Weitblick: Die Milchkrise wird global; 07. Juli 2016
Eine schnelle Lösung des Exportproblems fand die EU in zahlreichen Entwicklungsländern. Diese haben teilweise sehr offene Märkte für Milchprodukte, wodurch sich niedrige Weltmarktpreise stark auf lokale Preise auswirken können. Das ist natürlich ungünstig für die regionalen Bauern, deren Einkommensperspektiven verschlechtert werden. In weiten Teilen Afrikas ernähren Menschen ihre Familien durch Landwirtschaft. Aufgrund der wenig ausgeprägten Bildungsstrukturen haben Bewohner von Entwicklungs- und Schwellenländern wenige berufliche Möglichkeiten. Subventionierte Lebensmittel aus Europa stellen neben dem Klimawandel eine große Bedrohung für die Lebensgrundlage der Bauern dar. Beim zehnten Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) wurde zwar ein dauerhaftes Verbot von Exportsubventionen für landwirtschaftliche Güter durchgesetzt. Doch durch staatlich geförderte Exportkredite ist der Milchverkauf in Entwicklungsländer nach wie vor lukrativ für europäische Bauern. So ist auch zu erklären, warum die Exporte europäischer Milchproduzenten in letzter Zeit stiegen, obwohl die Milchpreise gesunken sind. 2)Germanwatch Weitblick: Die Milchkrise wird global; 07. Juli 2016
Die größten Verlierer der Preissenkung sind die ärmsten Bauern
Deutlich stärker als die europäischen Milchbauern leiden also zum Beispiel ihre Pendants in afrikanischen Staaten. Denn durch die enorm niedrigen Preise von europäischem Magermilchpulver können sie ihre Produkte nicht mehr vermarkten. Dabei sollte es im Interesse der EU sein, die Selbstständigkeit von Bauern in Entwicklungsländern zu fördern. Denn auch durch das Schaffen von wirtschaftlichen Perspektiven können Flucht und Migration verhindert werden. Besonders Frauen würden von höheren Milchpreisen profitieren, denn in vielen afrikanischen Ländern sind sie für die Milchkühe zuständig. Sonst haben sie kaum die Chance auf ein eigenes Einkommen, da meistens den Männern die Tiere gehören. In den letzten Jahren konnten Afrikanerinnen zum Beispiel in Burkina Faso sogar Kleinstmolkereien gründen und eigene Milchprodukte verkaufen. 3)Germanwatch Weitblick: Die Milchkrise wird global; 07. Juli 2016
Lösungen des europäischen Milchüberschusses können auch Fluchtursachen bekämpfen
Entwicklungshilfe kann auch in Form von Investitionen und Beratung in afrikanische Molkereien erfolgen. Das lohnt sich aber nur, wenn die Produkte dann auch angemessene Preise erzielen können. Das ist wiederum nur möglich, wenn das Überangebot an Milch gedrosselt wird. Um das zu erreichen, müssten Molkereien oder die EU einschreiten. Die niederländische Molkerei „FrieslandCampania“ zeigte zu Beginn des Jahres, dass die preiszerstörenden Überschüsse schnell, unbürokratisch und nachhaltig abgebaut werden können. Sie bot Milchproduzenten finanzielle Anreize, weniger oder zumindest nicht mehr Milch herzustellen. Da aber die großen Molkereien wie das „Deutsche Milchkontor“ (DMK) sich querstellen, muss die EU eingreifen und die Milchmenge reduzieren. Das könnte über ein so genanntes „Bonus-Malus-System“ bewerkstelligt werden. Demnach werden Milchbauern, die weniger liefern, finanziell belohnt. Produziert ein Hersteller hingegen einen Überschuss, muss er eine Strafe zahlen. 4)Germanwatch Weitblick: Exportorientierte Agrarpolitik ruiniert Milchhöfe; 07. Juli 2016
Eine außerplanmäßige Agrarministerkonferenz soll ebenfalls Lösungswege schaffen. Am 15. Juli 2016 beraten der deutsche Agrarminister Christian Schmidt und die zuständigen Vertreter der Bundesländer mit EU-Kommissar Phil Hogan den Preisverfall der Milch und mögliche Gegenmaßnahmen in Brüssel. Schmidt ist zwar gegen die Rückkehr zu einer europäischen Quotenregelung, doch zusammen mit seinen polnischen und französischen Kollegen sprach er sich bereits für eine Subventionierung von Milchbauern aus, die ihre Produktion zurückfahren. 5)Süddeutsche Zeitung: Die Wende im Milchstreit ist da; 13. Juni 2016 Auch der Supermarktriese „Edeka Südwest“ leistet einen Beitrag zur Bekämpfung des Milchpreisverfalls. Er verkauft Milch der Regionalmarke „Unsere Heimat“ zehn Prozent teurer. Das steht zusammen mit der Information, dass der Kunde so Arbeitsplätze schafft, auf der Verpackung. Das führt wieder einmal vor Augen, dass auch die Konsumenten nicht machtlos sind. Durch den Kauf von nachhaltigen Produkten, die eine faire Bezahlung der Produzenten garantieren und deswegen nun mal nicht ganz so billig sind, tragen Verbraucher nicht nur zum Erhalt regionaler Milchhöfe bei, sonder fördern auch indirekt die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. So kann jeder selbst ganz bequem vom Supermarkt aus Fluchtursachen bekämpfen. Nur: Wie viel ist uns das wert? 6)Süddeutsche Zeitung: Wer wirklich schuld ist am großen Wettmelken; 03. Mai 2016
Fußnoten und Quellen:
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