Teuflischer Pakt – Die EU will Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern
Nach dem umstrittenen EU-Türkei-Deal plant die Europäische Union Migrations-Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen und arabischen Ländern. Herkunfts- und Durchreiseländer sollen auf diese Weise in die Pflicht genommen werden, illegal eingereiste Flüchtlinge zurückzunehmen und die Flüchtlingsströme nach Europa einzuschränken.
„Was wir im Ägäischen Meer getan haben, müssen wir auch im südlichen Mittelmeer tun“, erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, vergangene Woche den Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg. 1)Die Tagespost:„Afrika ist voll von jungen und armen Menschen“; 08.06.2016 Die Flüchtlingszahlen in Deutschland gehen zurück: Während das sogenannte Easy-System im Dezember letzten Jahres noch mehr als 120.000 Flüchtlinge registrierte, waren es im März 2016 rund 20.600. Diese Entwicklung beruhe hauptsächlich auf der Schließung der Balkanroute, könne sich aber wieder verändern, sobald Ausweichrouten stärker genützt würden – vor allem jene über das Mittelmeer von Libyen nach Italien, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). 2)Spiegel Online: Libyen: De Maizière rechnet mit mehr als 200.000 Flüchtlingen aus Afrika; 08.04.2016 Er gehe weiterhin davon aus, dass in Libyen noch deutlich über 200.000 Asylsuchende auf die Überfahrt nach Europa warteten. Vor allem in Subsahara-Afrika gebe es noch viel mehr „Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, nach Europa zu kommen. Der Migrationsdruck bleibt hoch“. 3)Die Welt: 200.000 Flüchtlinge aus Afrika? „Die Zahl ist zu niedrig“; 08.04.2016
Wie viele genau es sind, weiß momentan niemand. Sicher ist allerdings, dass bisher Zehntausende die gefährliche Überfahrt von Libyen und Ägypten über das Mittelmeer gewagt haben. Allein dieses Jahr kamen dabei mindestens 2.427 im südlichen Mittelmeer ums Leben. Auf der Flucht vor Kriegen und Bürgerkriegen, Tyrannen, Armut oder Elend entscheiden sie alle sich das Risiko einzugehen, um bessere Lebensbedingungen in Europa vorzufinden. 4)Spiegel Online: EU-Geld an Afrikas Flüchtlingsstaaten: Unser Partner, der Diktator; 10.06.2016Aber die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht die Fluchtursachen nicht nur in kriegerischen Konflikten und Verfolgung. Auch demografische, ökonomische und klimatische Gründe würden die Menschen zur Migration bewegen. „Afrika ist voll von jungen und armen Menschen, und es steht vor den Herausforderungen des Klimawandels!“ 5)Die Tagespost:„Afrika ist voll von jungen und armen Menschen“; 08.06.2016
Um die bevorstehende breite Flüchtlingswelle aus Afrika nach Europa einzudämmen, setzt die EU auf zwei Prozesse: auf „Migrationspakte“ mit Herkunfts- und Transitländern sowie auf den „Khartum-Prozess.“ Letzterer wurde bereits 2014 zwischen 58 Ländern Europas und Afrikas vereinbart, um Fluchtbewegungen einzudämmen. Auch Eritrea, Somalia, Sudan und Südsudan sind Teil der Khartum-Vereinbarung und werden somit für die Kooperation in Betracht gezogen. 6)Spiegel Online: EU-Geld an Afrikas Flüchtlingsstaaten: Unser Partner, der Diktator; 10.06.2016 Staaten, die in höchster Weise für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Im Sudan regiert seit über 20 Jahren Präsident Omar al-Bashir, der als Verantwortlicher zahlreicher Massaker vom internationalen Strafgerichtshof gesucht wird. Somalia ist so zerrüttet, dass es von ausländischen Truppen der Afrikanischen Union notdürftig zusammengehalten werden muss. 7)Spiegel Online: EU-Geld an Afrikas Flüchtlingsstaaten: Unser Partner, der Diktator; 10.06.2016 Am zynischsten ist wohl die Zusammenarbeit mit Eritrea: In ihrem Menschenrechtsbericht spricht selbst die Bundesregierung von extremer Unterdrückung der Bevölkerung in einem diktatorischen System voller Willkür. Allein im Jahr 2015 stellten 10. 876 8)Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Das Bundesamt in Zahlen 2015; 12.04.2016 Personen aus Eritrea einen Antrag auf Asyl in Deutschland, mehr als aus jedem anderen afrikanischen Land. Die meisten wurden anerkannt. Nichtsdestotrotz kooperiert die EU mit diesen Ländern, gibt den Regimen Geld und unterstützt Projekte, die dabei helfen, die Sicherheitskräfte aufzurüsten oder das Justizsystem zu verbessern. Es erscheint suspekt, dass Despoten unterstützt werden und Regierungsinstitutionen gestärkt werden, nur um Flüchtlinge fernzuhalten. Und all das mit Geldern aus der Entwicklungshilfe. 9)The Guardian: EU considering working with Sudan and Eritrea to stem migration; 06.06.2016
Im Rahmen der Migrationspakte soll die Kooperation mit Jordanien, dem Libanon, Niger, Nigeria, Senegal, Mali, Libyen und Äthiopien sogar noch weiter gehen. Um die Länder widerstandsfähiger gegen Migration zu machen und die illegalen Migrantenströme zu organisieren, sollen bis zu acht Milliarden Euro bis 2020 in maßgeschneiderte Deals investiert werden. 10)Spiegel Online: EU-Geld an Afrikas Flüchtlingsstaaten: Unser Partner, der Diktator; 10.06.2016 Positive und negative Anreize sollen die Länder animieren, in der Migrationspolitik mit Europa zusammenzuarbeiten. Das heißt aber auch, dass solche Länder, die nicht zur Zusammenarbeit bereit sind, mit Konsequenzen – vor allem in der Handelspolitik – zu rechnen haben. Bisher hätte die EU keine Handelssanktionen gekannt, um Menschenrechte in Afrika durchzusetzen. Jetzt aber, wo Flüchtlinge aufgehalten werden sollen, würden diese angedroht, kritisierte Grünen-Politikerin Ska Keller. 11)Die Tagespost:„Afrika ist voll von jungen und armen Menschen“; 08.06.2016
Auch Uwe Kekeritz, entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, erklärte, dass es „zynisch und kurzsichtig sei‘, Entwicklungsgelder als Druckmittel zur Rücknahme von Flüchtlingen einzusetzen.“ Statt Fluchtursachen zu bekämpfen gehe die EU lieber „Abkommen mit Diktatoren und vermeintlich sicheren Drittstaaten ein.“ 12)Spiegel Online: EU-Geld an Afrikas Flüchtlingsstaaten: Unser Partner, der Diktator; 10.06.2016
Fußnoten und Quellen:
Pingback:Fluchtgrund | Südsudan: Hungerkatastrophe bedroht 4,8 Millionen Menschen
Veröffentlicht um 10:54h, 11 Juli[…] humanitären Situation im Land kritisieren vor allem Menschenrechtsorganisationen die Pläne der EU zur stärkeren Kooperation mit Herkunftsländern um die Flüchtlingsströme einzuschränken. Pro Asyl nannte die Pläne „moralisch […]