Streubomben: Auch nach dem Krieg droht Lebensgefahr
Eigentlich sind Streubomben seit 2010 durch einen völkerrechtlichen Vertrag verboten. Dennoch kommen sie nach wie vor in vielen Konflikten zum Einsatz. Der Organisation Handicap International zufolge haben Streubomben bis heute unzählige Menschen verletzt und etwa 100.000 getötet. 94 Prozent der Opfer sind Zivilisten, mehr als ein Viertel von ihnen Kinder.1)Handicap Interantional: Streubomben; nicht mehr verfügbar Obwohl Streumunition eigentlich als Waffe zur militärischen Kriegsführung designt ist, verursacht sie aufgrund ihrer Reichweite und ihrer Ungenauigkeit vor allem große Schäden in der Zivilbevölkerung. Kollateralschäden sind bei ihrem Einsatz unumgänglich.2)Wikipeida: Streumunition; Stand 16.06.2016 Und selbst wenn die Begegnung mit einem Bomblet nicht tödlich endet, so sind die Wunden oftmals schwer zu behandeln und Betroffene leiden unter Verstümmelungen oder dem Verlust ganzer Gliedmaßen.3)Wikipedia: Übereinkommen über Streumunition; Stand 16.06.2016
Gefährlich sind die Sprengköpfe aber nicht nur beim Aufprall: fünf bis 40 Prozent der Streumunition explodiert beim Einschlag nicht. Stattdessen bleibt sie als Blindgänger liegen, bis jemand drauftritt. 4)Handicap International: Minen, Streubomben und andere Waffen; 04.12.15 So leiden nach Schätzungen von Handicap International weltweit 400 Millionen Menschen unter den Auswirkungen der völkerrechtswidrigen Waffe, auch Jahre nach dem Konflikt.5)Handicap International: Circle of Impact: The Fatal Footprint of Cluster Munitions on People and Communities; 03.2007
Ein Beispiel dafür ist Laos. Die Erinnerung des Krieges ist weniger präsent im Bewusstsein der Bevölkerung, die Gefahren exisieren jedoch weiterhin: in den 1960er Jahren verwendete die USA Streumunition in Vietnam, Kambodscha und Laos.6)Handicap International: Streubomben: Wo wurden Streubomben eingesetzt?; Stand 21.06.2016 2010 führten acht Kinder in der Champasak-Provinz in Laos ihre Büffelherde zum Weiden, fünf von ihnen starben. Sie entdeckten einen metallenen Gegenstand, der explodierte, als sie ihn anfassten. Gemessen an der Einwohnerzahl war kein Land der Welt so stark von der Bombardierung durch Streumunition betroffen wie Laos: Zwischen 1965 und 1973 wurden dort 414 920 Streubomben abgeworfen. Diese verteilten etwa 260 Millionen Submunitionen, von denen schätzungsweise 13 bis 78 Millionen beim Aufprall nicht explodiert sind und als Blindgänger liegen blieben. Bis heute, 40 Jahre später, werden jährlich etwa 300 Personen zu neuen Opfern der Blindgänger. Sie werden getötet oder verstümmelt und bleiben zeitlebens behindert. Etwa 40% der Opfer von Streubomben werden so nicht direkt bei der Bombardierung getroffen, sondern leiden erst in den Folgejahren an den Konsequenzen der Bomblets. 7)Handicap International: Das vergessene Unrecht: Streubomben in Laos; nicht mehr verfügbar
Auch der Irak zählt zu den am stärksten betroffenen Regionen weltweit: Zwischen 1996 und 2006 wurden etwa 50 Millionen Submunitionen abgeworfen, darunter 2,6 bis 6 Millionen Blindgänger.8)Handicap International: Streubomben: Wo wurden Streubomben eingesetzt?; Stand 21.06.2016 Besonders bei der Heimkehr nach dem Krieg sind die Menschen von den unerwarteten Folgen betroffen. Sie kennen die Gefahren nicht, die von Blindgängern ausgehen. Meistens kommt es so zu extremen Einschränkungen in ihrem Alltagsgeschäft. Verseuchte Felder können unmöglich bestellt werden, dadurch werden keine Erträge erzielt, die Menschen hungern und die Wirtschaft kommt zum Stillstand. Oder aber die wirtschaftliche Not zwingt die Bauern zur Arbeit auf den Feldern – trotz Blindgängern. Schließlich führt ein Unfall meist die ganze Familie des Betroffenen in die Abhängigkeit. Es entsteht dadurch ein Teufelskreis, aus dem sich die Opfer nicht befreien können: Um die teure Behandlung der Verletzten zu bezahlen, wird der Besitz verkauft und die Familien verarmen. Die Verletzten werden aufgrund ihrer Behinderungen außerdem arbeitsunfähig und es ist ihnen nicht möglich, sich aus der Armut zu befreien.9)Handicap International: Circle of Impact: The Fatal Footprint of Cluster Munitions on People and Communities; 03.2007
Eines der Länder, das ganz aktuell von Bombardierungen betroffen ist, ist Syrien. Laut einem Bericht des Streubombenmonitors wurden zwischen 2012 und 2014 mindestens 1.968 Opfer von Streubomben in Syrien verzeichnet. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen sind Zivilisten. Es handelt sich dabei um die höchste Anzahl an Opfern, die seit dem Streubombenverbot gezählt worden ist.10)Handicap International: Syrien: Handicap International verurteilt den jüngsten Einsatz von Streubomben; nicht mehr verfügbar Besonders intensiv würden Streubomben verzeichnet, seitdem Syrien und Russland verstärkt Einsätze durchführten, um die Kontrolle über strategisch wichtige Gebiete zu gewinnen, erklärte Human Rights Watch.11)The World Post: Besieged Syrians Live Under Daily Danger Of Unexploded Cluster Bombs; 29.04.2016 „Es ist äußerst beunruhigend, dass eine weitere Art von Streumunition in Syrien eingesetzt wird, bedenkt man, wie verheerend deren Einsatz in den kommenden Jahren für die Zivilbevölkerung sein wird”, so Nadim Houry, stellvertretender Direktor der Nahost-Abteilung von Human Rights Watch.12)Human Rights Watch: Syrien: Berichte über Einsatz neuartiger russischer Streumunition; 13.10.2015 Neben der hohen Zahl an Todesopfern und Verletzten werden dadurch auch unmittelbar die Zugänge zu Hilfslieferungen, Elektrizität oder sauberem Wasser blockiert und große Teile der Bevölkerung bleibt unterversorgt.
„Wir dachten es wäre ein Stück Metall, die Leute standen einfach in der Nähe“, berichtete Abu Ahmad, der in einem der am stärksten von Streubomben betroffenen Gebiete um Damaskus lebt. Dann bewegte sich sein Sohn und berührte dabei unbewusst den Blindgänger. „Mein Sohn war sofort tot, mein Bein wurde abgerissen und mein Nachbar schwer verletzt.“ 13)The World Post: Besieged Syrians Live Under Daily Danger Of Unexploded Cluster Bombs; 29.04.2016 Gruppen wie Syria Civil Defense unterstützen die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten. Nach Attacken mit Streubomben helfen sie bei der Evakuierung der Wohnsiedlungen und klären die Bewohner über potentielle Blindgänger auf. 14)The World Post: Besieged Syrians Live Under Daily Danger Of Unexploded Cluster Bombs; 29.04.2016 Dennoch bleibt es schwierig, die Bomblets als solche zu identifizieren, vor allem auf Feldern oder zwischen den Trümmern zerstörter Stadtviertel. Kurz- und Langzeitauswirkungen des Waffeneinsatzes gefährden das Leben der heimischen Bevölkerung so sehr, dass manchmal nur die Flucht als letzter Ausweg bleibt.