Die Unfähigkeit der OSZE erweckt das Kaukasus-Gespenst
Der Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wechselt jedes Jahr. 2016 hat Deutschland mit dem derzeitigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Rolle übernommen. Deutschlands Vermittlungskompetenz ist gefragter denn je. Auch Jahrzehnte nach dem Zerfall des sowjetischen Vielvölkerstaates existieren in einigen Regionen noch ethnische Spannungen, die das Potential zum Bürgerkrieg in sich tragen. 1) huffingtonpost.de: Berg-Karabach: Deutschlands Vermittlungskompetenz gefragt; nicht mehr verfügbar
So auch in der Region Berg-Karabach, die zwar vorwiegend von christlichen Armeniern bewohnt wird, aber dennoch im völkerrechtlichen Sinne Teil von Aserbaidschan ist. Erst im April hinterließ der sogenannte Viertage-Krieg sechzig tote Soldaten. Bei einem Treffen in Moskau vereinbarten die Generalstabschefs beider Seiten nun zunächst eine Feuerpause. Der armenische Präsident Sersch Sargsjan warnte derweil vor „unvorhersehbaren und unumkehrbaren Folgen“, die bis zu einem „ausgewachsenen Krieg“ reichen könnten. 2) zeit.de: Aserbaidschan befiehlt Gefechtsbereitschaft – Artikel vom 4. April 2016
Im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße weisen Armenien und Berg-Karabach heute weltweit einen der höchsten Militarisierungsgrade auf. In Aserbaidschan sieht es ähnlich aus. Aus Angst vor einer Abspaltung wurden sämtliche Regionen bewaffnet. In den vergangenen zwölf Jahren hat das Land seine Militärausgaben um mehr als das Zwanzigfache gesteigert und ebenfalls mit einer „militärischen Konfliktlösung“ gedroht, falls nicht bald ein diplomatischer Durchbruch zu einer politischen Regelung erfolgt. 3) zeit.de: Von wegen eingefrorener Konflikt – Artikel vom 27. April 2016
Die von der OSZE beauftragte Minsker Gruppe lässt sich derweil durch die kürzliche gewaltsame Zuspitzung kaum beeindrucken und scheint dabei fast schon fahrlässig einen Krieg zu riskieren. Ranghohe Regierungsvertreter aus Aserbaidschan kritisierten nun die Vorgehensweise und warfen der Gruppe „mangelndes Durchsetzungsvermögen“ vor. Bislang konnten die drei Co-Vorsitzenden Russland, Frankreich und die USA tatsächlich kaum Erfolge vorweisen. Die Komplexität des Konfliktes scheint hierbei nicht im Vordergrund zu stehen. Vielmehr stellen die unterschiedlichen Interessen der Parteien die größte Hürde zur Lösung der Auseinandersetzung dar. So beherbergen sowohl Frankreich, Russland als auch die USA eine große Armenische Diaspora in ihrem Land. 4) boell.de: Bergkarabach: Alles andere als ein „ruhender Konflikt“ – Artikel vom 12. April 2016
Zusätzlich spielt auch hier – wie so oft – das Öl eine Rolle. Die EU hat ein deutliches Interesse, dass die Gas- und Öllieferungen aus Aserbaidschan und Kasachstan weiterhin bestehen bleiben. Dazu muss der Konflikt beigelegt werden. Russland hingegen profitiert von einer Destabilisierung der Region. Dann bleibt Europa nämlich weiterhin abhängig von russischen Öllieferungen. 5) deutschlandfunk.de: Gezielte Eskalation in Berg-Karabach? – Artikel vom 7. April 2016
Aus diesen Gründen stocken die Friedensverhandlungen der OSZE nun schon seit Jahren. Gelingt es der OSZE nicht, endlich die eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen und den Friedensprozess zwischen Armenien und Aserbaidschan einzuläuten, droht ein weiterer Krisenherd zu entfachen. Dies könnte der Islamische Staat (IS) wieder für sich nutzen und einen Bürgerkrieg mit unabsehbaren Folgen für alle Beteiligten auslösen. Eine armenische Flüchtlingswelle könnte dabei in der deutschen Bevölkerung weitere Skepsis mit sich bringen und für einen Aufschwung bei den rechtsextremistischen Parteien sorgen. Die Politiker der Minsker Gruppe werden wohl aber auch dann nicht für ihr jahrelanges unverantwortliches Handeln zur Rechenschaft gezogen.
Hintergrund
Im Jahr 1988 hat der Konflikt um Berg-Karabach den Untergang der Sowjetunion eingeläutet. Damals demonstrierte die armenische Bevölkerungsmehrheit gegen die territoriale Einbindung der Region durch Aserbaidschan. Die gesamte sowjetische Elite, einschließlich des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, Michail Gorbatschow, wurde vom Ausmaß des Hasses und der Gewalt völlig überrascht. Ein Krieg entflammte, der zu 30.000 Todesopfern und einer Million Vertriebenen führte und erst nach sechs Jahren im Jahr 1994 durch einen von Moskau vermittelten Waffenstillstand beigelegt wurde. Seither hat sich Berg-Karabach zu einer ‚de-facto Republik‘ mit staatlichen Strukturen entwickelt und wird von Armenien militärisch unterstützt. 6) huffingtonpost.de: Berg-Karabach: Deutschlands Vermittlungskompetenz gefragt; nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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