Steuertricks der Großkonzerne befeuern globale Ungleichheit
Welchen Schaden die Steuervermeidung und –hinterziehung weltweit anrichten, riefen die Panama Papers Anfang April eindrücklich ins öffentliche Bewusstsein. Insbesondere ärmere Staaten und Entwicklungsländer leiden massiv unter diesen Praktiken. Wie sehr, das hat die NGO ActionAid umfassend recherchiert. Die Ergebnisse wurden in einem Bericht veröffentlicht, der bereits im Februar erschienen ist.
Es geht um Steuerabkommen, die reiche Staaten mit ärmeren Ländern abschließen. Darin wird festgelegt, wann und wie einige der ärmsten Länder der Welt die Gewinne ausländischer Firmen besteuern dürfen – und ob das überhaupt passiert. Diese Vereinbarungen kommen in erster Linie globalen Konzernen zugute, denn sie erlauben letzteren, nur sehr wenige bis gar keine Steuern in den ärmeren Ländern zu zahlen, obwohl sie dort ihre Geschäfte und Profite machen. 1) actionaid.org: Mistreated – The tax treaties that are depriving the world’s poorest countries of vital revenue – Stand : 11.05.16
Die Entwicklungsländer dagegen verlieren jedes Jahr Milliarden US-Dollar. ActionAid rechnet vor, dass sich 60 Prozent der Finanzlöcher afrikanischer Staatskassen auf Steuervermeidung durch internationale Großkonzerne zurückführen lassen. Die Korruption macht dagegen nur 15 Prozent aus.
Die Summe, die afrikanischen Staaten an Steuerzahlungen im Jahr eigentlich zustehen sollte, beziffert der IWF auf 175 Milliarden Euro. Diese Zahl ist dreimal so groß wie die gesamte jährliche Entwicklungshilfe für den Kontinent. Die kenianische ActionAid-Aktivistin Stella Agara macht deutlich: „Würden diese Einnahmen tatsächlich in die Staatskassen fließen, müsste keiner mehr über Entwicklungsgelder für Afrika nachdenken.“
Die Strategien zur Steuervermeidung der Großkonzerne sind meist nicht illegal. Außerdem kommen die Steuerabkommen zwischen reichen und ärmeren Staaten auf freiwilliger Basis zustande. Doch warum unterschreiben Entwicklungsländer diese Vereinbarungen, die ihnen massiv zum Nachteil gereichen? Stella Agara erklärt, dass die Staaten oft sehr unter Druck stünden. Einerseits bieten die Konzerne an, Arbeitsplätze zu schaffen, wenn sie entsprechende Steuererleichterungen erhalten. Andererseits drohen sie aber auch, Investitionen zu stoppen oder greifen zu Bestechungsgeldern, um ihre Interessen durchzusetzen. Hinzu kommt, dass viele afrikanische Finanzbeamte nicht ausreichend ausgebildet sind und wenig Erfahrung mit internationalen Steuerangelegenheiten haben. 2) dw.com: Leere Staatskassen in Afrika durch Konzerne – Artikel vom 06.05.2016
Der Bericht von ActionAid liefert auch ganz konkrete Beispiele, wie große Unternehmen Steuerzahlungen umgehen – und wer ihnen dabei hilft. Die US-amerikanische Firma Deloitte etwa, die Konzerne in Steuerfragen berät, informierte Investoren 2013 auf einer Konferenz in China darüber, wie diese sich Abgaben in afrikanischen Ländern sparen können: Die Investitionen laufen über die Steueroase Mauritius. Sind Firmen dort registriert, profitieren sie von den sehr niedrigen Steuersätzen und zahlen in den afrikanischen Staaten, wo sie ihre Gewinne machen, keine Steuern mehr. Im Detail erklärte Deloitte, wie diese Strategie für Firmen funktioniert, die in Mosambik agieren – einem der ärmsten Länder der Welt. Mehr als die Hälfte der Mosambikaner lebt unter der Armutsgrenze.
Doch nicht nur Afrika leidet unter der großangelegten Steuerflucht. Bangladesch beispielsweise gehen auf diese Weise jedes Jahr 85 Millionen US-Dollar verloren. Mit diesem Geld könnte die Gesundheitsversorgung von 3,4 Millionen Menschen für ein Jahr lang gesichert werden.
Besonders Frauen und Kinder leiden unter diesen hohen Verlusten, denn sie sind am meisten auf staatliche Gesundheitsversorgung angewiesen. Außerdem zahlen lokale Geschäftsleute in Entwicklungsländern – Männer wie Frauen – einen hohen Preis für die Steuervermeidung: Sie können oft mit der Konkurrenz durch multinationale Konzerne nicht mithalten. Da sie im Gegensatz zu letzteren durchaus Steuern zahlen müssen, sind sie gezwungen, ihre Produkte teurer zu verkaufen als die großen Firmen. 3) actionaid.org: Mistreated – The tax treaties that are depriving the world’s poorest countries of vital revenue – Stand : 11.05.16 Und wer in seiner Heimat zu wenig Geld verdient, geht auf der Suche nach einem besseren Leben oft in andere Länder. So wird die Steuervermeidung der Großkonzerne zu einem Fluchtgrund.
ActionAid fordert das Ende des Zeitalters der Steuerflucht im großen Stil. Die Organisation empfiehlt, zweifelhafte Steuerabkommen dringend zu überarbeiten. Außerdem sollten Regierungen sämtliche Vereinbarungen der Öffentlichkeit zugänglich machen, sodass diese überprüft und diskutiert werden können. Multinationale Konzerne sollten ihrerseits ihre Steuerpraktiken in Entwicklungsländern transparent machen und die entwicklungspolitischen Implikationen ihrer Strategien berücksichtigen. 4) actionaid.org: Mistreated – The tax treaties that are depriving the world’s poorest countries of vital revenue – Stand : 11.05.16
Fußnoten und Quellen:
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