Lebenslange Geiselhaft in Eritrea – unterstützt von EU-Geldern
„Wenn ich wieder in meinen Dienst zurückkehre, werde ich eingesperrt. In einen Container. Für jeden Monat Fernbleiben aus dem Dienst, ein Monat Container.“ – diese Beschreibung eines jungen, flüchtigen Eritreers ist für tausende im Land bitterer Ernst. Neben dem teils unbegrenzt dauernden Wehrdienst, der meist in Form von Zwangsarbeit geleistet wird, gehören die Armut, Perspektivlosigkeit und extreme Unterdrückung durch den Diktator zu den drängenden Ursachen, die täglich hunderte Eritreer in die Flucht treiben. 1) Deutschlandfunk: Flucht vor Repressionen und Rückständigkeit – Artikel vom 08.04.2016 Diese Flucht soll ihnen aber verwehrt werden: Die EU zahlt dem Regime Millionen, um die Flüchtlingszahlen in Europa zu verringern. Das Zynische daran: Es liegt nicht im Interesse des Diktators Afewerki, die Flucht aus dem Land zu verhindern.
Zweck der Zahlungen ist die Beseitigung der Fluchtursachen: Der ostafrikanische Staat soll wirtschaftlich gestärkt werden. Das soll der Perspektivlosigkeit in der Bevölkerung entgegenwirken. Außerdem sind die Zahlungen an die Forderung gekoppelt, die menschenrechtliche Situation im Land zu verbessern. Trotzdem hat sich seitdem die Lage in Eritrea verschlechtert. 2) martinplaut: EU rewarding Eritrean repression – not for the first time – Artikel vom 01.04.2015 Dass die Wahrung der Menschenrechte hier nicht oberste Priorität hat, zeigt die jüngste Entwicklung: Erneut hat die Europäische Union Zahlungen in Millionenhöhe an das repressive Regime zugesagt. 3) European Commission: EU announces support for poverty eradication in Eritrea – Artikel vom 11.12.2015
Damit macht sich die EU gegenüber Asmara erpressbar. Der Diktator nutzt die aktuelle Krisensituation und setzt die EU unter Druck: Ohne finanzielle Entwicklungshilfe will er kein Migrationsmanagement mehr nach Europa betreiben. 4) All Africa: Eritrea: EU Policy and Eritrean Refugee Nightmare – Artikel vom 20.06.2015 Dabei kommt ihm die Massenabwanderung der jungen Bevölkerung geradezu gelegen: Gerade die jungen Menschen, die fit genug sind, den langen Fluchtweg anzutreten, stellen die größte, politische Bedrohung für den repressiven Diktator dar. Außerdem verdient er auch an den Exil-Eritreern: Diese werden gezwungen, auch im Ausland Steuern an das Regime zu zahlen – unabhängig davon, wie viel sie dort verdienen. Bei Missachtung droht eine Gefährdung der Familienangehörigen in Eritrea. Somit gibt es für die Flüchtlinge auch mit räumlicher Distanz keinen kompletten Schutz. Ein eritreischer Regierungskritiker, der bereits seit langem in Deutschland lebt, drückt es so aus: „Eritreer ist man immer.“ 5) Frankfurter Allgemeine: Von wegen Freiheit – Artikel vom 12.05.2016
Selbst an der Flucht verdient das Regime: Zahlreiche hochrangige Militärs sind in den Schmuggel von Menschen durch die Wüste und ans Mittelmeer verstrickt. Das macht es umso deutlicher, dass das Regime direkter Auslöser des Problems ist. Zu glauben, dass eine Kooperation mit dem Diktator im Zuge der Stärkung der Wirtschaft zu einem Rückgang der Flüchtlingszahlen führt, ist hochgradig naiv. Dabei werden die wahren Fluchtursachen mutwillig außer Acht gelassen. 6) All Africa: Eritrea: EU Policy and Eritrean Refugee Nightmare – Artikel vom 20.06.2015
Die Rechtfertigung für die Zahlungen der EU ist fragwürdig: Sie dienen der „Förderung von demokratischen Werten, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten im jeweiligen Drittstaat“ und würden den Staaten bei der Terrorismusbekämpfung helfen. 7) Der Tagesspiegel: Auch Diktatoren sind beim EU-Grenzschutz mit dabei – Artikel vom 21.10.2015 Im Falle Eritrea scheint dies nicht gegeben – die EU macht sich im Gegenteil gegenüber dem eritreischen Regime erpressbar. Somit wird die tatsächliche Fluchtursache nicht angegangen: Das Regime selbst und dessen menschenverachtende Handlungen gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Das paradoxe Engagement der EU am Horn von Afrika zeigt, wie die aktuelle Krisensituation zu einer gefährlichen Prioritätenverschiebung führt: Um die Flüchtlingszahlen in Europa zu verringern, werden massive Menschenrechtsverletzungen anderswo in Kauf genommen.
Die Fluchtursachen aus Eritrea werden zumindest im deutschen Asylverfahren anerkannt, fast alle Eritreer in Deutschland werden als politisch Verfolgte akzeptiert – wenn sie denn hier ankommen. Für tausende junge Eritreer gibt es aber keinen anderen Ausweg als die Flucht aus der repressiven Diktatur: „Wenn ich dahin zurück muss, wird mir ein Leben in Würde verweigert“, Alem Akale aus Eritrea.
Fußnoten und Quellen:
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