Libyen – so gefährlich ist das Transitland für Flüchtlinge
Der Frühling kommt, das Wetter wird besser, die See ruhiger. In Libyen warten deshalb etwa 200.000 Menschen darauf, die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer in Richtung Europa anzutreten. 1) welt.de: In Libyen harren sie aus bis der Frühling kommt – Stand 06.04.16 Weil die Staaten der Balkanroute – dazu zählen unter anderem Slowenien, Kroatien, Mazedonien, Serbien sowie Ungarn – ihre Grenzen für Flüchtlinge geschlossen haben, müssen diese nun in dem nordafrikanischen Land mit sehr instabiler Sicherheitslage ausharren, um von dort aus nach Italien überzusetzen, zum Beispiel auf die Inseln Lampedusa oder Sizilien.
Die politische Situation in Libyen ist kompliziert – und gefährlich. Vor knapp fünf Jahren wurde Muammar al-Gaddafi, der Libyen als Revolutionsführer von 1979 bis 2011 diktatorisch führte, samt seiner Regierung gestürzt. Ein Bürgerkrieg brach aus, verschiedene bewaffnete Gruppen kämpften um die Vorherrschaft. Vorausgegangen waren Aufstände, die im Zuge des Arabischen Frühlings im Februar 2011 ausbrachen. In Bengasi war ein Menschenrechtsaktivist festgenommen worden – dies entfachte die Rebellion. 2) spiegel.de: Chronologie des Kriegs: Wie sich Libyen von Gaddafi befreite – Stand 06.04.16 Das Gaddafi-Regime ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Die Proteste weiteten sich nichtsdestotrotz im Land aus. Das Regime setzte Kampfjets gegen die Aufständischen ein. 3) welt.de: Chronik des Arabischen Frühlings in Libyen – nicht mehr verfügbar Im UN-Sicherheitsrat wurde daraufhin Mitte März die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschlossen, wobei sich Deutschland der Stimme enthielt. 4) spiegel.de: Chronologie des Kriegs: Wie sich Libyen von Gaddafi befreite – Stand 06.04.16
Mit der UN-Resolution 1973 wurde am 17. März 2011 ein Militäreinsatz in Libyen legitimiert. Die USA, Frankreich sowie Großbritannien begannen am 19. März, Luftangriffe auf regierungstreue Gruppen zu fliegen. Am 31. März 2011 übernahm die NATO das Kommando über den Einsatz. Der Name der Operation lautete Unified Protector. 5) wikipedia.org: Militäreinsatz in Libyen 2011 – Stand 06.04.16 Faktisch wurde damit das Ziel verfolgt, die Rebellen in Libyen zu unterstützen. Viele Städte des Landes wurden heftig umkämpft. Deshalb flohen Tausende Menschen aus den Kampfgebieten, zum Beispiel an die Grenzen zu Ägypten und Tunesien. Am 20.Oktober 2011 wurde bekannt, dass al-Gaddafi getötet wurde. Am 31. Oktober endete der NATO-Militäreinsatz.
Die Zustände in Libyen sind seither chaotisch, eine stabile Regierung konnte nicht gebildet werden. Stattdessen gibt es seit 2014 zwei rivalisierende Regierungen mit jeweils eigenen Parlamenten, die Ansprüche auf die Herrschaft stellen: In Tobruk sitzt das international anerkannte Repräsentantenhaus, hervorgegangen aus den Parlamentswahlen, die im Juni 2014 abgehalten wurden. In der Hauptstadt Tripolis dagegen formierte sich ein Gegenparlament unter Khalifa al-Ghwell, das islamistisch orientiert ist. 6) spiegel.de: Libyen: Viel Öl, zwei Regierungen – und der IS breitet sich aus – Stand: 06.04.16 Durch das so entstandene Machtvakuum konnte sich auch der Islamische Staat in Libyen festsetzen, zum Beispiel in der Stadt Sirte. Die andauernden Kämpfe zwischen den verschiedenen Gruppen zwangen sehr viele Menschen zur Flucht: Etwa zwei Millionen Libyer haben das Land verlassen, ungefähr eine Million von ihnen flohen nach Tunesien. 7) brookings.edu: The impact of Libyan middle-class refugees in Tunisia – Stand 06.04.16 Laut dem UNHCR gibt es etwa 400.000 lybische Binnenflüchtlinge. 8) unhcr.org: 2015 UNHCR subregional operations profile – North Africa – Artikel nicht mehr verfügbar Ende 2015 unterzeichneten die beiden Regierungen nach langem Ringen schließlich ein von der UNO vermitteltes Abkommen zur Bildung einer Einheitsregierung. Die Umsetzung dessen gestaltet sich jedoch schwierig: Die Arbeit des international anerkannten Übergangspräsidenten Fayez al-Serraj wird insbesondere von der Regierung in Tripolis stark behindert. 9) sueddeutsche.de: Libyen droht zwischen zwei rivalisierenden Regierungen zu zerfallen – Stand 06.04.16 Für die Flüchtlinge bedeutet die politisch instabile Situation: Der Aufenthalt in Libyen birgt große Gefahren. Amnesty International berichtet von Entführungen, Folter und sexueller Gewalt gegenüber Flüchtlingen. 10) amnesty.org: `Libya is full of cruelty`: Stories of abduction,sexual ciolence and abuse from migrants and refugees – Stand: 06.04.16
Nutzen aus dieser Lage ziehen vor allem die Schlepper: Sie können an der kaum kontrollierten Küste Libyens überfüllte Boote über das Mittelmeer Richtung Europa schicken. Noch sind es vor allem Flüchtlinge aus Westafrika, die darauf warten. Doch Berichten zufolge versuchen nun immer mehr Menschen aus dem Irak, Syrien und Afghanistan, Libyen zu erreichen. 11) sueddeutsche.de: Neues Geschäft für Schlepper – Stand 06.04.16 Sie werden gezwungen, für ein Leben in Sicherheit immer gefährlichere Wege auf sich zu nehmen – weil Europa sich abschottet.
Fußnoten und Quellen:
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