Gravierende Menschenrechtsverletzungen in Griechenland
Im Rahmen des Flüchtlings-Deals zwischen der EU und der Türkei kommt es zu gravierenden Menschenrechtverletzungen. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, ohne rechtlichen Beistand und Informationen werden Geflüchtete aus den griechischen Haftzentren auf Lesbos und Chios in die Türkei deportiert.
Der am 20. März 2016 in Kraft getretene Vertrag beinhaltet die Abschiebung sämtlicher Flüchtlinge, die über keinen Asylanspruch verfügen, in die Türkei. Auf diese Weise sollen nahezu alle Migranten (bis auf Kurden) deportiert werden. Die EU nimmt für jeden abgeschobenen Syrer wiederum einen Syrer legal aus einem türkischen Flüchtlingslager auf. 1) tagesspiegel.de: Die Aktion „Abschiebung“ läuft an – Stand 27.04.2016 Das Verfahren bezüglich nicht syrischer Flüchtlinge, welche in die Türkei abgeschoben werden, ist nicht offiziell geregelt. 2) hrw.org: EU/Greece: First Turkey Deportations Riddled With Abuse – Stand 27.04.2016
In den sogenannten „Hotspots“, hoffnungslos überfüllten Abschiebegefängnissen, Vial und Moria, warten Geflüchtete seit der Auflösung des Camps Idomeni auf ihre Registrierung oder Deportation. Sie dürfen das Gefängnis nicht verlassen. 3) tagesspiegel.de: Camp Idomeni soll aufgelöst werden, Helfer verlassen EU-Hotspots – Stand 27.04.2016 Amnesty International ist es gelungen, die beiden bisher von der Außenwelt abgeschnittenen Haftzentren aufzusuchen. Etwa 4.200 Menschen werden in Vial und Moria unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Obwohl sich unter ihnen (schwangere) Frauen, Folteropfer, Menschen mit Behinderung, Babies und zahlreiche Kinder befinden, ist die Lebensmittel- sowie medizinische Versorgung nicht gewährleistet. So kümmern sich in Moria lediglich drei Ärzte um 3.000 Personen. 4) epo.de: Haftzentren Lesbos und Chios – Stand 27.04.2016
Die Facebookseite „Our friends from Vial“ erreicht am 30.März 2016 folgender Hilferuf: „Wir sind Flüchtlinge in einem Haftzentrum auf Chios (Vial). Hier sind nachts keine Ärzte. Wenn wir krank werden, können wir nichts tun, weil wir das Camp nicht verlassen können. Das Essen ist sehr schlecht. Wir kriegen nur Kartoffeln und manchmal sind sie verschimmelt. Es ist jetzt 15:47 Uhr und wir hatten heute noch GAR KEIN Essen! Die Kinder weinen! Niemand sorgt für uns, bitte helft, wir sind hungrig!“ 5) facebook.de: Our friends from Vial – Stand 27.04.2016
Mehr als 46.000 Menschen sitzen seit Schließung der Balkanroute in Griechenland fest – von einer versprochenen Umverteilung der Geflüchteten, von zusätzlichem Personal und vor allem von Presse keine Spur. Von September 2015 bis zum 12.April 2016 wurden lediglich 615 Asylsuchende in EU-Ländern aufgenommen, geplant war die Aufnahme von 66.400 Geflüchteten. 6) amnesty.de: Europa muss Verantwortung für Flüchtlinge in Griechenland übernehmen – Stand 27.04.2016
Der Deal zwischen EU und Türkei beinhaltet auch, dass nur die Geflüchteten einen Asylantrag stellen können, für welche die Türkei nicht sicher ist. Aufgrund der Masse an Asylsuchenden sowie mangelnden Rechtsbeistandes kann man jedoch davon ausgehen, dass eine entsprechende Kontrolle nicht gewährleistet ist. 7) amnesty.at: Griechenland: Flüchtlinge eingesperrt und zurückgeschickt – Stand 27.04.2016 Die erste Überführung von Geflüchteten in die Türkei erfolgte am 04.April 2016. Ein Aushang im Abschiebegefängnis Vial informierte die Insassen zuvor über die nötigen Schritte, um Rechtsbeistand zu erhalten und eine Registrierung beantragen zu können. Es wurde betont, dass diese Möglichkeit noch nicht gegeben ist und es gab keine Aktualisierung dieser Informationen vor dem 04. April. Das bedeutet, dass Menschen in die Türkei abgeschoben wurden, ohne zuvor die Chance auf Registrierung oder juristische Unterstützung bekommen zu haben. 8) facebook.de: Our friends from Vial – Stand 27.04.2016 Die tatsächliche Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, gab es in Vial ab dem 02. April. Es waren jedoch weder Übersetzer, noch griechische Asylbeamte anwesend, lediglich die Polizei.
Auch der Prozess der Deportation selbst fand unter erheblichen Menschenrechtsverletzungen statt. Laut Aussagen der Aktivisten und Inhaftierten vor Ort habe die Auswahl der abgeschobenen Personen willkürlich stattgefunden. 9) bordermonitoring.eu: Der EU-Türkei-Deal und seine Konsequenzen – Stand 27.04.2016 Human Rights Watch sprach am 08. und 09. April mit Angehörigen und Freunden deportierter Personen in Vial. Laut diesen seien die 66 deportierten Personen am Mittag des 03. April unter der falschen Auskunft, sie könnten sich nun registrieren lassen, von der Gruppe getrennt worden. Daraufhin seien die Betroffenen von der Polizei in Empfang genommen und abends in Handschellen in einen Bus gezwungen worden. Ihr Hab und Gut – Papiere, Geld, Handys und Medikamente – haben sie nicht mitnehmen dürfen. Darüber hinaus erhielten sie keine Informationen darüber, was mit ihnen geschehen soll, wie Textnachrichten zeigen. Die Nacht verbrachten sie auf dem harten, kalten Boden einer alten Fabrik. Am nächsten Tag wurden die Geflüchteten von 180 Beamten von Frontex oder Polizei auf Fähren gebracht und erhielten weiterhin keine Informationen über ihr Schicksal. Dieser Prozess fand zwei Stunden früher statt als von der Polizei angekündigt.
Während die griechische Regierung und Frontex behaupten, keiner der Abgeschobenen habe Asyl in Griechenland gesucht, seien es laut UN-Flüchtlingshochkomissariat (UNHCR) mindestens 13 der 66 deportierten Personen gewesen.
In der Türkei angekommen, verloren die 66 Personen den Kontakt zu ihren Familien. Bei einem Telefongespräch sagte einer der Deportierten: „Wir sind bei einem Tor. Ich weiß nicht wo. Jetzt bringen sie uns rein. Es sieht aus wie ein Gefängnis. Wir gehen jetzt rein und die Polizei sammelt unsere Telefone ein. Sie sagen: ‚Leert eure Taschen‘.“ Human Rights Watch konnte keine der abgeschobenen Personen telefonisch erreichen, die Handys sind ausgeschaltet. 10) hrw.org: EU/Greece: First Turkey Deportations Riddled With Abuse – Stand 27.04.2016
Die Menschenrechtverletzungen, welche im Rahmen des EU-Türkei-Deals begangen werden, sind zahlreich und gravierend. Gleichzeitig werden Medien und somit die Öffentlichkeit von den Geschehnissen ausgeschlossen. Menschen, die vor Gewalt und Missständen geflohen sind, werden ihrer Freiheit und ihrer Würde beraubt. Sie werden wie Verbrecher behandelt, weil sie Schutz suchen. Und sie werden in ein Land zurückgeschickt, in dem sie vielleicht der Tod erwartet. Ein großartiger Deal für die EU und die Türkei also – lässt man die Menschenrechte außer Acht.
Fußnoten und Quellen:
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