Äthiopien: Trotz wirtschaftlicher Entwicklung Tausende Flüchtlinge
Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung Äthiopiens wurde oft als Wunder bezeichnet und mit den asiatischen „Tigerstaaten“ aus den 1970ern verglichen. 1) Aljazeera: If Ethiopia is so vibrant, why are young people leaving? – Stand 16.03.2016 Ausgestattet mit fruchtbarem Boden und in weiten Gebieten mit ausreichend Regenfall ist Äthiopien für afrikanische Verhältnisse ein potentiell reiches Land: Die Landwirte bauen eine Reihe verschiedener Getreidesorten an. Zudem verfügt Äthiopien über verschiedene wertvolle mineralische Rohstoffe, darunter Gold und Platin.
Gleichzeitig hat die US-Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten Wendy Sherman im April 2015 Äthiopien als Demokratie gelobt, die große Fortschritte in Richtung eines offenen und inklusiven Wahlprozesses gemacht hatte. 2) Aljazeera: US official praises Ethiopian ‘democracy,’ rest of world begs to differ – Stand 16.03.2016 Warum fliehen dann Tausende Äthiopier (fast 30 Tausend Menschen im Jahr 2014), wenn die Wirtschaft des Landes die am schnellsten wachsende in Afrika ist und seine Demokratie angeblich blüht? 3) Länderdaten.info: Flüchtlinge aus Äthiopien – Stand 16.03.2016
Obwohl fast alle sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren des Landes sich im letzten Jahrzehnt stärker als in irgendeinem anderen afrikanischen Land verbessert haben, ist Äthiopien heutzutage immer noch eines der ärmsten Länder der Welt. Nur etwa 57 Prozent der Bevölkerung hat einen angemessenen Anschluss an eine Trinkwasserversorgung. 4) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Äthiopien – Stand 16.03.2016
Dabei sind Arbeitslosigkeit und der Mangel an wirtschaftlicher Möglichkeiten nicht die einzigen Gründe für übermäßige Abwanderung aus Äthiopien. Freedom House stuft das Land als „nicht frei“ in seinem jährlichen „Freedom in the World Index“ ein. Äthiopien bleibt eines der am wenigsten demokratischen Länder Afrikas, so der leitende Vizepräsident von Freedom House Daniel Calingaert.
Unter anderem wurde der Regierung Äthiopiens schwere Menschenrechtsverletzungen bei der Zwangsumsiedlung zehntausender Bauern im Westen des Landes (Gambella Region) vorgeworfen. Innerhalb eines sozialen Umsiedlungsprogramms der äthiopischen Regierung sollten fast zwei Millionen Menschen in neue, von der Regierung ausgewählte Siedlungen gebracht werden, in der es nicht genug Nahrung und Ackerland gibt und zugleich ein Mangel an Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen vorherrscht. Das führte zum Verlust der Existenzgrundlage der betroffenen Bevölkerung und der Verschärfung der Nahrungssituation. 5) Human Rights Watch: Äthiopien: Hunger und Not durch Zwangsumsiedlung – Stand 16.03.2016 Bei der Umsetzung dieses Projekts wurden Bauern, die sich dagegen gewehrt haben, von Soldaten willkürlich verhaftet, misshandelt und vergewaltigt. Viele mussten aus dem Land fliehen.
Wichtig zu erwähnen ist, dass die äthiopische Regierung diese Massenvertreibungen auch mit den Geldern von der Weltbank finanziert hat: Das Geld wurde von den zwei Milliarden Dollar abgezapft, welche die Weltbank zeitgleich in eine Gesundheits- und Bildungsinitiative steckte. 6) Süddeutsche Zeitung: Wie die Weltbank Massenvertreibungen mitfinanziert – Stand 16.03.2016 Selbst als Flüchtlinge und Menschenrechtsorganisationen öffentlich kritisierten, dass Gelder der Bank verwendet wurden, um brutale Vertreibungen zu finanzieren, setzte die Weltbank ihre Finanzierung des Projekts fort, an dem auch die deutsche KfW beteiligt ist. 7) NDR: Scharfe interne Kritik an Menschenrechtsverletzungen bei Weltbank-Projekt in Äthiopien – Stand 16.03.2016
Dabei muss betont werden, dass das Umsiedlungsprogramm in Gegenden stattfindet, in denen massive, vor allem ausländische Landinvestitionen geplant sind oder bereits getätigt werden. Allein von 2008 bis Januar 2011 hat Äthiopien mindestens 3,6 Millionen Hektar Land verpachtet, eine Fläche, die der Größe der Niederlande entspricht. Die Großfarmen versprechen sich dabei Millionengewinne vom Export von Nahrungsmitteln aus dem Land. Das macht die einheimischen Bauer wütend, da die neben ihren Feldern angebauten Lebensmittel exportiert werden sollen, während sie und ihre Familien regelmäßig auf Hilfslieferungen angewiesen sind. 8) Amnesty International: Land Grabbing: Ausverkauf in Äthiopien – Stand 16.03.2016
Fußnoten und Quellen:
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