Ghana: Der Hunger aus der Dose – subventionierte Billigimporte zerstören inländischen Markt
Seit der Jahrtausendwende kann man in Ghana den Aufbau neokolonialer Strukturen in zunehmendem Maß beobachten. Eines der beliebtesten Grundnahrungsmittel des Landes – die Tomate – wird seit mehr als 15 Jahren in Form von Tomatenmark aus dem Ausland importiert. 1)Le Monde diplomatique: Tomatensoße für Ghana – Stand 09.02.2016
In den 1980er Jahren machte der landwirtschaftliche Anbau des Nachtschattengewächses noch über 90 Prozent aus und der Bedarf der Bevölkerung konnte durch die Produktion weitestgehend gedeckt werden. Verändert hat sich seitdem vieles. Durch den internationalen Druck sah sich die Regierung gezwungen, die Handelsstrukturen an einen globalen Güterverkehr anzupassen. Zölle, die abgebaut werden sollten, waren dabei im Wesentlichen das große Hemmnis. Dahinter verbirgt sich die Absicht, auch europäischer Länder, einen leichteren Zugang zum ghanaischen Markt zu bekommen und für die Wirtschaft zu öffnen. 2) Heinrich-Böll-Stiftung: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ – Stand 09.02.2016
Mitgliedern der ECOWAS, der afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, sollte im Rahmen des EPA „Economic Partnership Agreement“ im Gegenzug ebenso verbesserter Zugang zum europäischen Markt gewährleistet werden. Ghana ist neben vielen anderen Ländern auch Mitglied in dem Zusammenschluss. 3)Auswärtiges Amt: Ghana. Wirtschaft – nicht mehr verfügbar Jedoch veränderte sich die Situation durch die Öffnung in eine ganz andere Richtung – wie so oft, wenn es um Handelsabkommen zwischen Industrienationen und Ländern in der Entwicklungsphase geht. Gerade sehr präsent in den Medien und ein Beispiel für solch einen Zusammenschluss ist das „Transatlantische Freihandelsabkommen“ TTIP.
Ghana erlebte ab 2000 einen regelrechten Ansturm auf den heimischen Markt. Konkret: Es wurden Unmengen an Tomatenmark, in Dosen verpackt und haltbar gemacht, in das Land exportiert. Gerade in Italien dürfte dieses Handelsabkommen auf großen Zuspruch gestoßen sein. Als zweitgrößter Produzent von frischen und verarbeiteten Tomaten profitiert die Region rund um Apulien gleich doppelt. Auf der einen Seite sind durch die Aufhebung hoher Handelszölle die Kosten für den Export gesenkt worden. Durch die Subventionierung von Agrarprodukten können zusätzlich Überschüsse in der Produktion die in der EU keinen Abnehmer gefunden haben, rentabel in die Länder Afrikas verkauft werden. 4)Süddeutsche Zeitung: Tödliche Tomaten und billige Hähnchen – Stand 09.02.2016
Der Preisdruck auf die Bauern der durch die ausländischen subventionierten Produkte zustande kommt, ist enorm hoch. Die frischen Tomaten müssen teurer angeboten werden als das Tomatenmark und werden weniger nachgefragt. Dadurch sehen sich die Bauern dazu genötigt andernorts Arbeit zu suchen. Das kommt der Anbauregion in Italien gut gelegen. Viele der Erntehelfer kommen auf illegalen Wegen und ohne gültige Aufenthaltsgenehmigungen zu den riesigen Plantagen wo das rote Gold angebaut wird. Ohne gültige Papiere sehen sich die Arbeiter jedoch hilflos dem Preisdiktat gegenüber. Die Löhne sind so niedrig, dass es gerade dafür reicht, sich Nahrungsmittel zu kaufen. Gewohnt wird direkt auf den Plantagen in kleinen selbst zusammengeschusterten Hütten aus Paletten und Plastiksäcken. Zurück in die Heimat zu kommen erscheint da aussichtslos. Es fehlt das Geld, um die Reise zu bezahlen. 5)Die Zeit: Afrika: Ein Mann pflückt gegen Europa. Wie Tomaten aus der EU afrikanische Bauern zu Flüchtlingen machen – Stand 09.02.2016 6)NDR: Tomatenernte: Schuften für einen Cent pro Kilo – Stand 09.02.2016
Gleichzeitig verschärft sich das Problem immer weiter, die niedrigen Zölle verschaffen den ausländischen Firmen Wettbewerbsvorteile, die die einheimischen Tomatenbauern nicht kompensieren können. Zudem verhindert der starke Konkurrenzkampf die Entwicklung eigener verarbeitender Industrie, die dazu dienen könnten auf Augenhöhe zu verhandeln. 7)Le Monde diplomatique: Tomatensoße für Ghana – Stand 09.02.2016
Letztendlich werden immer mehr Menschen dazu gedrängt, sich eine andere Arbeit zu suchen und das auch im Ausland. Handelsabkommen wirken dabei wie ein unfairer, ungleicher Kampf. Fluchtgründe können durch solche Handelspolitiken geschaffen werden, deren Folgen nicht direkt aber dennoch irgendwann, spürbar sein werden. Auch für uns.
Fußnoten und Quellen:
Pingback:Fluchtgrund | Die moderne Form der Sklaverei
Veröffentlicht um 11:37h, 19 Februar[…] Siedlungen, in denen die Erntehelfer, beispielsweise aus Ghana, leben. Viele von ihnen sind ehemalige Kleinbauern, die aufgrund der fehlenden Konkurrenzfähigkeit von ihren Erzeugnissen mit EU-subventionierten […]