Wie deutsche Investitionen ein repressives Regime unterstützen
Die Volkswirtschaft Äthiopiens wächst seit 2003 zwischen acht und zehn Prozent im Jahr. 1) Handelsblatt: Der neue Wachstumsstar in Afrika – Stand 28.01.2016 Dieses Wachstum hat jedoch auch seinen Preis: Aufgrund von Infrastrukturprojekten und ausländischen Investitionen in Ackerflächen, auf denen für den Export angebaut wird, werden massenhaft Kleinbauern und Indigene zwangsumgesiedelt.2) Globe Spotting: Äthiopien will Zuckerbaron werden – trotz Hungerkrise – nicht mehr verfügbar Investitionen in großflächige Anbaugebiete, die die europäische Nachfrage nach billigen Nahrungsmitteln und Bio-Kraftstoffen bedienen, befeuern diese Entwicklung. Politische Aktivisten in Äthiopien werden grausam unterdrückt. Bei Protesten gegen Enteignungen hunderter Kleinbauern in der Region Oromia sind in den vergangenen zwei Monaten mindestens 140 Demonstranten durch Sicherheitskräfte getötet worden.3) taz: Tödliche Gewalt bei Protesten in Äthiopien – Landraub befürchtet – Stand 28.01.2016 In unseren Medien ist davon wenig zu hören.
Die Proteste in der Region Oromia richten sich primär gegen die Erweiterungspläne der Hauptstadt Addis Abeba. Es wird befürchtet, dass darauf Vertreibungen und Enteignungen folgen.
Die Oromo sind die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe Äthiopiens, haben aber kaum eine politische Präsenz.4) DW: Stichwort: Die Oromo in Äthiopien – Stand 28.01.2016 Neben der jahrelangen Unterdrückung der Volksgruppe Oromo wollen die Demonstranten auch gegen die generell vorherrschende, massive Restriktion von Meinungsäußerung, Informationsbeschaffung und Pressefreiheit vorgehen.5) Human Rights Watch: Ethiopia’s Invisible Crisis – Stand 28.01.2016 Inzwischen finden die Proteste an 170 verschiedenen Schauplätzen statt.6) allAfrica: Ethiopia: Oromo Protests – Marking the Next Ethiopian Political Chapter – Stand 28.01.2016 Die gewaltsame Unterdrückung der friedlichen Demonstrationen birgt ein enormes Konfliktpotential. Berichte darüber werden durch die Regierung zurückgehalten und vertuscht.7) Human Rights Watch: Ethiopia’s Invisible Crisis – Stand 28.01.2016
Die Landnahme in Äthiopien hat enorme Ausmaße. Während sich das Land durchaus im wirtschaftlichen Aufschwung befindet, verlieren große Teile der Bevölkerung ihre Lebensgrundlage. Die Regierung will das Land von einem Agrarstaat in einen Industriestaat verwandeln: Allerdings leben noch immer 85 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft.8) podcast.de: Äthiopien: Rosen gegen den Hunger – nicht mehr verfügbar Der Bevölkerung wird zunehmend Land, das sie seit Generationen bewirtschaftet, entrissen, um dieses an ausländische Unternehmen zu verkaufen.
Beispielsweise baut die Münchner Firma Acazis AG in Äthiopien auf 56.000 Hektar Land Rizinus und Erdnüsse an. Das daraus gewonnene Non-Food-Oil wird unter Anderem zur Herstellung von Biodiesel verwendet. Zuvor bewirtschafteten das Land Kleinbauern vom Volk der Oromo. Menschenrechtler kritisieren die zwangsweise Umsiedlung von zehntausenden Kleinbauern und Indigenen unter dem Deckmantel der wirtschaftlichen Entwicklung.9) epo: Protest gegen Landraub durch deutsche Investoren – Stand 28.01.2016 Damit werden aus autarken kleinbäuerlichen Gemeinden hilfsbedürftige Vertriebene.
Daneben werden auf den an ausländische Investoren verpachteten Flächen beispielsweise Zuckerrohr und Ölpalmen angebaut – für Bio-Kraftstoff. Währenddessen befindet sich ein großer Teil der äthiopischen Bevölkerung in Ernährungsunsicherheit.10) Quartz: In Ethiopia, foreign investment is a fancy word for stealing land – Stand 28.01.2016 Neben China, Südkorea und Saudi-Arabien tragen auch Investoren und Unternehmen aus Europa massiv zum Landraub bei.11) Gemeinsam für Afrika: Hintergrundinformationen zum Thema Landgrabbing – Stand 28.01.2016
Die Diskrepanz zwischen Profit für die Investoren sowie für die Regierung und der Ernährungssicherheit der Bevölkerung ist riesig. Während die Bevölkerung immer wieder unter Ernährungskrisen leidet, prophezeien Befürworter der Investitionen, dass Äthiopien ‚goldenen Zeiten‘ entgegen gehe. Trotzdem klafft die Schere zwischen Import und Export: Äthiopien exportiert inklusive der ausländischen Investoren jährlich für etwa 1,5 Milliarden Dollar Agrarprodukte, muss aber gleichzeitig für 2 Milliarden Dollar Nahrungsmittelhilfe einführen.12) Arte: Äthiopien: Rosen gegen den Hunger – nicht mehr verfügbar
Für die vertriebenen Kleinbauern bedeutet die Vertreibung vom Land, das sie seit Jahrhunderten bewirtschaften und das ihnen damit Unabhängigkeit verschafft, auch einen enormen Identitätsverlust. Manche Entrechtete fliehen in andere Staaten 13) The Guardian: Ethiopians talk of violent intimidation as their land is earmarked for foreign investors – Stand 28.01.2016 , andere wandern in die Städte ab, wo Perspektivlosigkeit dominiert. Einige ehemalige Bauern arbeiten nach dem Ausverkauf ihres Landes und ihrer Entrechtung in den Farmen, auf denen beispielsweise Rosen für den Export produziert werden – für einen Hungerlohn. Für die ausländischen Großinvestoren ist das profitabel: „Wer will schon für 4 Euro einen Strauß Rosen kaufen? Beim Discounter kosten die zwei bis drei Euro, da nimmt man dann einen Strauß mal eben mit. Aber mehr will wirklich keiner bezahlen.“14) Arte: Äthiopien: Rosen gegen den Hunger – nicht mehr verfügbar So werden neben Ernährungsunsicherheit und Verlust der Selbstbestimmung auch soziale Konflikte geschürt.
Die Marginalisierung und Benachteiligung von großen Bevölkerungsteilen birgt das Risiko einer Eskalation. Ein Student vom Volk der Oromo: „ Es geht immer nur um Wachstum. Die neuen Farmen und Straßen, die Ausländern gehören, sind alles, was die Welt draußen mitbekommt, aber daran bereichert sich nur die Regierung. Für uns bedeutet das, dass wir unser Land verlieren und dass wir unseren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.“15) Human Rights Watch: Ethiopia’s Invisible Crisis – Stand 28.01.2016
Fußnoten und Quellen:
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