Kontroversen um klimawandelbedingte Migration
Schaut man sich den gesellschaftlichen Diskurs über klimawandelbedingte Migration an, so fallen zwei Hauptkontroversen ins Auge, die entwicklungspolitisch relevant sind:
Zum einen geht es um die Frage nach der tatsächlichen Ursächlichkeit zwischen klimabedingten Faktoren und neuen Wanderungsbewegungen und zum anderen um die ungesicherte Rechtslage der Betroffenen aufgrund unklarer Begrifflichkeiten und Definitionen
Kontroversen um begleitende Ursachen klimabedingter Migration:
Klimabedingte Migration darf nicht nur eindimensional betrachtet werden, da sie in ein komplexes Zusammenspiel der bestehenden sozialen, demografischen und politischen Gegebenheiten eingebunden ist. Hierunter fallen z.B. auch fehlende oder ungenügende Anpassungsstrategien: Bei extremen Wetterereignissen und Naturkatastrophen kommt es nur dann zu auffallenden Migrationsbewegungen, wenn es vorher zu politischen oder sozialen Versäumnissen bei der Anpassung an die geografische Gefahrenlage gekommen ist. So können fehlende Frühwarnsysteme, Rettungspläne, Dämme und die Abholzung von Mangrovenwäldern beispielsweise den Grad der Verletzlichkeit einer Gesellschaft im Hinblick auf Naturkatastrophen steigen lassen. (Siehe TSUNAMI 2004) Klimabedingte Migration muss auch im Zusammenhang mit sogenannten Pull-Faktoren gesehen werden: Bevölkerungdruck, Armut, eine schlechte soziale Sicherung und eine schlechte Regierungsführung wirken unterstützend auf Migrationsbewegungen. Deshalb ist es schwierig, klimabedingte Migration von normaler (freiwilliger) Migration und Urbanisierung zu unterscheiden. Klimabedingte Migration sollte selbst auch als Anpassungsmaßnahme an eine soziale, ökonomische und politische Realität unter der Bedingung einer sich verändernden Umwelt verstanden werden.
Kontroverse um den Begriff Klimaflüchtling:
Es gibt eine Vielzahl an Begrifflichkeiten zu Wanderungsszenarien: „klimabedingte Migration“, „Klimawandelmigration“, „umweltbedingte Migration“, „Zwangsmigration“, „Klimaflucht“ sind nur einige davon. Flüchtling oder Migrant? Die Definition ist entscheidend im Hinblick auf die Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention. So spricht die IOM von „Klimamigranten“: „Personen(gruppen), die aufgrund von plötzlicher oder fortschreitender deutlicher Veränderungen der ihr Leben beeinflussenden Umwelt- und Lebensbedingungen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.“ Der Norwegischer Flüchtlingsrat spricht von „Umweltvertriebenen“.
Vor dem Hintergrund des schwer zu definierenden Begriffs stellt sich schon länger die Frage, ob den vom Klimawandel Betroffenen künftig der Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention und ihrer Zusatzprotokolle zugestanden werden kann.
Der UNHCR lehnt die Terminologie Klima/Umweltflüchtling grundsätzlich ab, aufgrund der Befürchtung, dass der durch die Genfer Flüchtlingskonvention etablierte Flüchtlingsbegriff weiter untergraben werden könnte. Die offizielle Begründung lautet: Kein Verfolgungstatbestand. Ausnahmen stellen Konflikte im Rahmen des Klimawandels und Staatenlosigkeit bei „Sinking Islands“ dar. Die für den Klimawandel verantwortlichen Industriestaaten lehnen den Begriff „Klimaflüchtling“ ebenfalls ab und verweisen dabei auf die vielschichtigen und sich überlagernden Migrationsursachen. Hier widersprechen NGOs mit dem Argument, Betroffene seien in einer flüchtlingsähnlichen Situation ihres Menschenrechtsstatus‘ beraubt. Bisher fehlen international anerkannte Rechtsnormen, die der Staatengemeinschaft Unterstützung für Klimamigranten verbindlich vorschreiben.
Link zum Artikel: focus migration – nicht mehr verfügbar
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